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Kleine Mitteilungen.
Flatterrosen, die Mohnblumen, die er gepflückt und dabei über die Hügel der Maulwürfe stolpert! Rings die wogende, gelbe Saat. Die Männer ziehen die Röcke aus und tragen sie auf Stöcken; die Frauen drängen zur Eile, um bei einem Bauern noch einen guten Gartentisch oder einen Sitz dicht unter seinem strohbedeckten Giebeldache zu erobern.“
Trotz der engen und jahrhundertelangen Beziehungen zur Residenzstadt hatten die Lichtenberger doch ihre allgemeine bäuerliche Art bewahrt und zeigten eine „spröde Opposition des märkischen Bauern gegen Berlin und Berlinertum, so daß man sich, wie Gutzkow sagt, auf eine halbe Meile von Berlin schon mitten in die Altmark oder in die Prignitz versetzt glaubt. Kleine niedrige Lehmhäuser mit Strohdächern, eine düsterschattende Linde vor dem Tore, Räder, Deichseln und Latten, den Eingang hemmend. Die Tracht ganz ländlich, kurze Jacken, lederne Hosen, bunte Nachtmützen, die Sprache plattdeutsch.“
Die Franzosenzeit (1806—1812) brachte auch für Lichtenberg manche Drangsale mit sich, namentlich die Einquartierungen und Truppendurchzüge im Jahre 1812 waren sehr drückend. Dann kamen bessere Zeiten. Durch den Zuzug wohlhabender Berliner, die sich hier von Gärten umgebene Landhäuser erbauten, wurde in Lichtenberg eine kleine Villenkolonie geschaffen, die ihre Vorteile für das Dorf hatte. Seit dem Ausgange des 18. bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts haben in Lichtenberg u. a. die Kriegsräte Scharnweber, v. Lainprecht und Amelang, der Geh. Finanzrath v. Ernsthausen, der Hauptmann v. Heidenreich, der Präsident Büsching, der Staatskanzler Fürst v. Hardenberg und der Prinz Friedrich von Preußen gewohnt. Berühmt war das schloßartige Landhaus des Generalfeldmarschalls v. Möllendorf, in dem ein großer Saal und verschiedene Zimmer mit Gemälden des Malers Verona geschmückt waren. Hinter dem großen Wohnhause lag außer den Wirtschaftsgebäuden ein herrlicher, ausgedehnter, in englischem Geschmack gehaltener Garten voll hoher Laub- und Nadelbäume, mit schönen Anlagen, reizenden Partien und Treibhäusern. In den lieblichen Laubgängen des Parks, unter den dunklen Kiefern suchte der greise Paladin Friedrichs des Großen in ungestörtem Naturgenuß Ruhe und Erholung. Hier hatte er auch dem von ihm bewunderten Könige noch bei dessen Lebzeiten ein Denkmal aus Sandstein in Gestalt eines Obelisken errichtet, auf dessen Vorderseite das Reliefbild Friedrichs mit der Inschrift „Dem Einzigen“ prangte.
Im weiteren Verlaufe seiner Darstellung schildert Unger die Bewirtschaftung des Rittergutes Lichtenberg durch die Erben des Staatskanzlers v. Hardenberg, die Entwicklung des Dorfes zum Vorort von Berlin und den Einfluß der Stadt- und Ringbahn auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und setzt dann ausführlich auseinander, wie die Gemeinde gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf den Gedanken kam, Stadtrechte zu erwerben, und wie die Verhandlungen schließlich zu dem gewünschten Ergebnis, zur Erhebung Lichtenbergs zur Stadt führten.
Das Werk Ungers kann als Muster einer populären Ortsgeschichte bezeichnet werden. Dr. G. Albrecht.