Heft 
(1912) 20
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7. (5. außerordentliche) Versammlung des XX. Vereinsjahres.

einem spätgotischen Lettner. Die Kanzel besteht aus Sandstein und ist mit bemalten Figuren ausgestattet, die erst kürzlich renoviert wurden. Der Hochaltar besitzt ebenfalls ein geschnitztes Gestühl.

Der Weg zur Marien-Kirche führt an dem Denkmal Winckel- manns vorüber, der 1717 geboren wurde. In der Marien-Kirche gab Herr Pfarrer Koch die nötigen Erläuterungen. Sie ist die Stadt- und Rats-Kirche und wurde dem Dom nachgebaut. Sie ist aber nicht ganz so imposant, weil sie nicht so lang ist. Der Hochaltar ist auch liier durch einen Lettner vom Hauptschiff getrennt. Der Hochaltar ist reich mit Schnitzwerk versehen, das z. T. Scenen aus dem Leben der heiligen Katharina darstellt. Der Hochaltar besitzt einen Umgang, so daß man auf der Ringwaud sehr schöne Zeichnungen und Holzschnitzerei erkennen kann; auch sind hier einige Grabsteine aufgestellt. Die Kirche wurde 1447 vollendet, und im Jahre 1538 hat hier Justus Jonas die erste pro­testantische Predigt gehalten. Auch hier findet sich wieder ein massiges Chorgestühl mit Schnitzwerk, und über jedem Sitze ist eine Hausmarke eingeschnitzt. Ringsherum sind Nischen angebracht, in denen sich in der katholischen Zeit Altäre befanden, von denen nur noch Reste vo.n Wandmalerei erhalten sind.

Nach diesen Besichtigungen wurde eine kurze Kaffeepause gemacht, worauf der Besuch des Rathauses vorgenommen wurde. Es besteht aus zwei Flügeln, der eine von ihnen enthält im Erdgeschoß die Gerichls- laube. Im Rathaus selbst befindet sich in eiuem großen Lokal die Sammlung des Bismarck-Museums. Sie besteht in erster Linie aus zahlreichen Bildern des Fürsten und dann aus einer großen Menge von Karrikaturen aus allen illustrierten Witzblättern der zivilisierten Welt. Daneben findet sich eine Bibliothek und mehrere Briefe. Auch eine große Sammlung von Ansichtspostkarten ist vorhanden, mit Abbildungen von Bismarck-Denkmälern und Karten. Gegenüber befindet sich der berühmte Saal der Gewandschneider-Gilde: hier ist die eine Wand mit einem reich geschnitzten Holzgetäfel versehen aus dem Jahre 1462. Dieses war früher bunt, wie noch einige farbige Überreste lehren. Das Rathaus mit seinen Stufengiebeln präsentiert sich sehr anmutig.

An seiner Ecke, etwas herausgerückt, steht der 5 l j 3 m hohe Roland aus Sandstein. In der Rechten hält er ein langes Schwert, als ob er salutieren wollte und in der Linken den Schild mit dem branden- burgischen Adler. Am Fuße der Figur lehnt ein zweites Wappenschild mit dem halben Adler und vier Weizenkörnern, die Wahrzeichen von Stendal.

Damit war unser Pensum au Sehenswürdigkeiten erledigt und wir wauderteu nun durch die neuen städtischen Anlagen langsam zum Restaurant Haupt zurück, wo die Abendtafel schon gedeckt war. Mit dem Zuge 8.01 fuhren dann die Berliner wieder zurück.