Heft 
(1912) 20
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S. (0. außerordentl.) Versammlung des XX. Vereinsjahres.

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z. B. an regenreiche Jahre denken, die von Zeit zu Zeit eine bedeutendere Zufuhr bewirkten. Jedenfalls aber nahm eine derartige Anhäufung von Material viele Jahre in Anspruch, und es haben sich auch wohl Ver­änderungen aller Art, z. B. klimatischer Natur, vollzogen, worauf das Aussehen des Kalksteins hindeutet. Es gibt Schichten von blauer und solche von gelber Farbe, und die ersteren sind reicher an Ton als die letzteren. Vor allen Dingen hat sich die Tiergesellschaft verändert, es sind z. B. Tiere eingewandert oder eine Art hat sich besonders leb­haft vermehrt, so daß man wegen ihres reichen Vorkommens die Schicht nach ihr benannt hat. Wie man überhaupt in der Geologie die Ver­steinerungen benutzt, um die Zeit zu bestimmen und die Schichten zu gliedern. Man spricht in unserem Fall von unterem, mittlerem und oberem Muschelkalk und der untere ist 157 m mächtig, der mittlere 60 und der obere 46 m.

Aus diesen Zahlen ergibt sich schon von selbst, daß im unteren Muschelkalk sich der Steinbruchsbetrieb abspielen wird. Er gliedert sich wieder in zwei Stufen, in den blauen und den gelben. In früheren Zeiten wurde nur der gelbe, der obere, gewonnen und weiter verwertet, weil der blaue sich nicht brennen ließ. Gegenwärtig aber wird auch der blaue sehr eifrig abgebant, weil er sich sehr gut zur Darstellung von Zement eignet, wozu er trotz seines Tongehaltes noch weiter mit Ton vermischt und gebrannt wird. Der Zement hat in den letzten dreißig Jahren den gewöhnlichen Mörtel vielfach als Bindemittel verdrängt und wird jetzt besonders bei Betonbauten verwendet. Aber auch der gebrannte Kalk hat in allerjüngster Zeit wieder eine neue wichtige Be­deutung erlangt, nämlich als Zusatz zu Sand bei der Herstellung des Kalksandsteines, der dem Ziegelstein energisch Konkurrenz macht, indem man Sand und Kalk unter hohem Druck zu einem festen Stein vereinigt. Der gelbe Kalkstein besitzt einige Schichten von auffallender Beschaffen­heit. Man unterscheidet z. B. die schaumige Lage, wenn sich kleine runde Poren im Gestein finden, ferner die madige Lage, kenntlich an den zer­trümmerten Muschelschalen und endlich die nähtige Lage. Diese ist die interessanteste, weil sie an die Verknüpfung der Schädelknochen erinnert. Es zeigt sich eine Reihe von senkrechten parallelen kurzen Stielchen, die etwas gegeneinander verschoben sind. Manchmal findet man auf einem Stielchen noch eine Muschelschale und glaubt daher, daß diese Gesteinsbeschaffenheit durch Druck und Verschiebung entstanden sei als das Gestein noch nicht fest geworden war.

Der mittlere Muschelkalk ist nur in den nördlichen Einschnitten, den Eingängen zu den Brüchen angeschnitten. Es mögen hier noch einige Zahlen aus der Geschichte des Rüdersdorfer Steinbruch­betriebes angeführt werden. Nach dem Jahre 1250 entdeckten die Zinnaer Mönche, die in dem benachbarten Kagel ein bescheidenes Kloster

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