Heft 
(1912) 20
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P. (3. ordentl.) Versammlung des XX. Vereinsjahres.

man dann versucht, dem Dorfe Luckenwalde, das bereits dun Mittel­punkt eines größeren zinnaischen Besitzkomplexes bildete, das Gepräge eines städtischen Gemeinwesens zu geben. Unter eben diesem Gesichts­punkte ist die Gründung der Leinewebergilde zu beurteilen. Einzelne Bestimmungen der genannten Urkunde wurden sodann betrachtet, wobei der Vortragende Vergleiche mit den Verhältnissen der märkischen Leine­weber anstellte. So wurde auf einen Streit hiugewieseu, der sich 1457 zwischen den Leinewebern zu Beeskovv und der Stadt bezw. der dortigen Schneidergilde abspielte und für die Mißachtung, der die Leineweber allgemein ausgesetzt waren, höchst charakteristisch ist. Sehr eigen­tümlich, da z. B. die Tuchweber wohl angesehen waren.

XX. Herr Kourad Kothe sprach in derselben Sitzung über die von den Ziunaer Mönchen erschlossenen Kalksteinbrüche zu Rüdersdorf. Die verworrenen Angaben in der Litteratur über die Verwendung des Rüdersdorfer Kalksteins sind zu berichtigen. Der Turm der Pfarrkirche in Strausberg, zu dessen Fenstern derselbe verwendet ist, stammt erst aus dem Anfänge des 16. Jahrhunderts. Als ein frühes Denkmal vom Einfluß des Klosters Zinna in Barnim ist dagegen das Kalksteinportal der Kirche in Ladeburg bei Bernau zu nennen, welches in seinen aus­gesprochenen frühgotischen Formen bald nach der Erschließung der Brüche zu datieren ist und sich von den Werken des Granit- und des Ziegelbaues als eine ungewöhnliche vereinzelte Erscheinung abhebt.

XXL Herr Professor Dr. Krabbo sprach in derselben Sitzung über Markgraf Otto 1. von Brandenburg. Geboren zwischen 1127 und 1130 als ältester Sohn Albrechts des Bären, empfing er als Taufge­schenk von Fürst Pribislaw-Heinrich von Brandenburg die Landschaft Zauche. 1134 wurde sein Vater als Markgraf an die Spitze der säch­sischen Nordmai k oder, wie sie bald hieß, der Mark Brandenburg ge­stellt. Albrecht hat sich in den 36 Jahren, während deren er diese Stellung bekleidete, vorwiegend für die große Reichspolitik interessiert; er hat ferner wiederholt erbitterte, aber ergebnislose Kämpfe mit den Welfen um das Herzogtum Sachsen geführt; nur zwischendurch kam er dazu, seine volle Kräfte der Mark zu widmen. Er konnte das aber ohne Schaden für die Mark tun, da sein Sohn Otto früh und fest mit dem Boden der Mark verwuchs und bald des oft abwesenden Vaters ständiger Vertreter wurde. Seit 1145 führt er neben Albrecht den Markgrafeutitel, 25 Jahre also haben Vater und Sohn nebeneinander gewaltet. 1148-vermählte sich Otto mit einer Slawin, der polnischen Herzogstochter Judith. Sieht mau von einem Aufenthalt ab, der ihn als Kind zu Nürnberg am Köuigshof zeigt, so ist er bis zum Tode seines Vaters nur noch zweimal außerhalb des Markenlandes oder des sächsisch-thüringischen Stammesgebiets nachweisbar: er hat teilgenommen an den Königswahlen von 1147 zu Frankfurt und von 1169 zu Bamberg.