Heft 
(1912) 20
Seite
340
Einzelbild herunterladen

340

15. (6. ordeutl.) Versammlung des XX. Vereinsjalires.

Vorgezeigt wurden die verschiedenen blechernen Totenschilder, das jüngste von 1823, welche bei Beerdigungen an den Sarg des Fischers gehängt werden, sowie die ältesten bis ins 16. Jahrhundert zurück- reichenden Fischereigerechtsamkeits-Urkunden, die wie ein Heiligtum verwahrt und noch jetzt ab und zn bei Rechtsstreitigkeiteu gebraucht werden. I)esgl. ein riesiger Künttspahn (Netzstricknadel), die der Alt­meister behufs Meldungen als Botenstock von Fischer zu Fischer herumgehen ließ.

X. Ueber Barbara-Zweige. Als wir spät Abends von Cöpenick nach Berlin zurückreisten, fuhren mit uns drei Familien, die eine Menge von frischen Süß- und Sauerkirscbzweigen mit sich führten, um sie zum 4. Dezember in Wasser einzustellen. Das ist der Gedenktag der Heiligen Barbara und nach ihr werden die Zweige, wie Eingangs angegeben, benannt. Die Heilige Barbara, beiläufig Schutzpatron der Artillerie, erlitt unter Maximian in Nikomedien am 4. d. M. den Märtyrer­tod und an diesem Tage beginnt, wie das Volsk meint, der Saft der Bäume aufznsteigen. Bei richtiger Auslese und Behandlung beginnen die Zweige bereits nach 14 Tagen sich zur Blüte zu entwickeln. Die Zweige erhalten alle zwei Tage frisches, lauwarmes Wasser und werden täglich morgens, mittags und abends derart mittels des Bestänbers mit lauwarmem Wasser bespritzt, daß sie tropfen. So behandelt, stehen die Zweige der gelbblühenden Forsythia, Mandel, Aprikose, Spiraea prunifolia, Stachelbeere, Süß-, Sauer- und Oornel-Kirsche, der Pflaume, Schlehe und des Pfirsichs und Seidelbasts bis Weihnachten unbedingt im reichen Flore. Ist das Glück gut, zeigen sich auch an Birnenzweigen einige Blüten. Den spanischen Flieder und die Roßkastanie im Wasser zum Blühen zu bringen, hält hingegen schwer; meist wird man sich nur an ihren frischgrünen Blättern erfreuen und die geschlossenen Blütenknospen zwischen diesen stehen sehen. Das Volk benutzt die Barbarazweige sogar als Orakel; nach der Zahl und Farbe der zuerst an ihnen aufgebrochenen Blüten schließen junge Mädchen auf die Nähe ihrer Hochzeit, und wenn die Zweige am Christtage voller Blüten sind, dann schmunzelt der Landmann, weil er ein Zeichen darin zu sehen glaubt, daß das nächste Jahr ihm eine gute Ernte bringt.

XI. Wie sah der Urmensch ans? Zwei unserer Mitglieder haben mir die Nr. vom 30. November des Welt-Spiegel (ill. Halbwochen-Chronik des B. T -Bl.) mit der Bitte zugesandt, mich über den darin enthaltenen Aufsatz des Prof. Dr. Ludwig WilserHeidelberg, betiteltDer Ur­mensch, künstlerisch gestaltet zu äußern. Der heut anwesende junge Bildhauer Ernst Gustav Jaeger hat das in jener Nr. abgebildete künstlerische Standbild des Urmenschen in seiner Künstlerwerkstatt Brücken Allee 20 aufgestellt und ist selbst daneben porträtiert, gewisser-