Heft 
(1912) 20
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15. (6. ordentl.) Versammlung des XX. Vereinsjahres.

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maßen um den Unterschied desHomo diluvii testis und des sit venia verboHomo modernus wirksam darzustellen. Dergleichen Versuche, die natürlich alle phantastisch ausfallen müssen, sind mehrfach gemacht. Ich erinnere nur an den Entwurf von Gabriel Max, der auf der diesjährigen Dresdener Hygiene-Ausstellung plastisch dargestellt war.

Der Künstler wollte ein Geschöpf darstellen:von ungefähr 1,60 m Höhe, mit langem, stark entwickeltem. Rumpf, mächtigem Nacken, kräftigen Armen, dagegen verhältnismäßig schwachen und kurzen Beinen mit entsprechenden Hüften. Die Füße sind breit, die großen Zehen abstehend, die übrigen länger als beim heutigen Menschen, die Ferse ist mehr abgerundet und atfenartig. Die Daumen sind etwas kürzer als bei uns. Ueber der gut entwickelten Muskulatur liegt eine reichliche Fettschicht, besonders an den Schultern, der obern Brust und dem Rücken. Der Unterleib tritt stärker hervor. Am Kopf fallen die großen und tiefen Augenhöhlen, die platte Nase, die vorspringenden, kinnlosen Kiefern, die mächtigen Augenwülste, die fliehende Stirn und der flache Schädel auf. Wegen des spitzeren Gesichtswinkels sitzen die Ohren Faunohren am Darwinschen Zipfel etwas höher als bei uns. Der Gesichtsausdruck zeigt eine Mischung von Erwartung, Furcht und Wut.

Wilser erklärt sich mit dieser Phantasievorstellung im ganzen einverstanden, meint aber, Jaeger hätte das Haupthaar wohl nichtin schlichten Zotten tief in die Stirn hereinfallen lassen, sondern mehr kurz und kraus, etwa wie beim Buschmann darstellen sollen.

Wenn aber Wilser nur 2 Menschentypen der Eis- oder Zwischeu- eiszeit zulassen will, den bekannten Neanderthahnenscken, nach dessen Skelett sich Herr Jaeger in der Hauptsache gerichtet, und den Vorfahren des heutigen Menschen, der den Neanderthaler verdrängte, so kann ich mich nach Lage der neuesten Forschung dem nicht anschließen. Es gab außer diesen beiden Typen noch einen älteren, den Homo Heidel- bergensis Schötensack, dessen Unterkiefer vor einigen Jahren im Sande von Mauer gefunden wurde und, wie Sie sich aus meinen früheren Angaben erinnern, durch ungeheure Massivität vor dem Neanderthaler auszeichuet. Er gehört der mittleren Zwischeneiszeit an. (vergl. Ernst H. L. Krause-Straßburg in der Naturwiss. Wochenschrift vom 10. d. M.

S. 790), entsprechend der bekannten Paludina-Bank bei Berlin.

Dagegen fällt der Neanderthalmensch in die jüngste Zwischeneiszeit, entsprechend den Rixdorfer Sanden und den Tuffen von Taubach bei Weimar S. 793 sagt Krause:Die Kälte der Würmeiszeit trieb den Neanderthaler südwärts. Bei Krapina in Kroatien liegen seine Knochen in erheblicher Zahl, die markhaltigen meist zerbrochen, zwischen ihnen wenig Gebeine von Homo sapiens der Aurignacienkultur. Hier ist wahrscheinlich der südwärts strebende Neanderthaler auf den in Süd-