Heft 
(1912) 20
Seite
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Kleine Mitteilungen.

ist dessen Zeuge, zugleich auch Zeuge der wehmütigen Erinnerungen an sein erstes Eheglück; denn von 1793 ab wohnte der König jedes Jahr für einige Zeit im Schloß Charlottenburg. Die schlichte Sinnesart des Königs ergibt sich auch aus dem besonderen, kleinen Wohnhaus, das er nach 1810 nach dem Tode der Königin Luise im östlichen Teile des Parkes, hart an der Schloßbrücke, für seine Person erbauen ließ, aber erst 1826 bezog, nachdem er sich am 9. November 1824 mit der Gräfin Ilarrach ver­mählt hatte. Auch Friedrich Wilhelm IV. hat wiederholt seine Hofhaltung in das Charlottenburger Schloß verlegt, das nach seinem Tode seiner Gemahlin als Witwensitz überwiesen wurde. Wie 1888 Schloß Charlottenburg länger als 2 1 / 2 Monate dem todkrank aus Italien heimgekehrten Kaiser Friedrich als Wohnstätte diente, ist in lebhafter Erinnerung. Seitdem ist das Schloß ver­einsamt. Zum Ausflugsort für die Berliner war Charlottenburg schon zu Friedrichs II. Zeit geworden, nachdem die Verbindung auf der Spree im Wege der sogenannten Treckschuitenfahrt, die unter Friedrich Wilhelm I. über Charlottenburg nach Spandau eingerichtet worden war, besseren Verkehrs­mitteln gewichen war. Gondelfahrten auf der Spree sind dessenungeachtet bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts beliebt gewesen. Dem gestiegenen Verkehr entsprechend, bestanden zu Friedrichs II. Zeit schon 17 Gast­wirtschaften in Charlottenburg, deren ätteste, aus dem Jahre 1876 stammende Berlinerstr. 11 stand. Auch dasTürkische Zelt und derWeiße Schwan gehören zu diesen ältesten Erholungsstätten. Recht langsam stieg im ersten Jahrhundert seines Daseins die Einwohnerzahl von Charlottenburg. Sie betrug bei der Gründung 200 Köpfe, 1740 1656, 1786 2000, um 1800 3500. Nach den Befreiungskriegen nahm der Verkehr zwischen Berlin und Charlottenburg einen mächtigen Aufschwung. Es gab täglich viermalige Postverbindung, das Passagiergeld betrug 5 gute Groschen. Noch war aber der Weg sehr sandig. Der Ausbau der Verbindungsstraße durch den Tiergarten zur Chaussee gehört erst späteren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an. Den Privatverkehr zwischen beiden Städten vermittelten anscheinend ausschließlich Charlottenburger Fuhrwerksbesitzer, deren 1811 47 konzessioniert waren. Bis Mitte des Jahrhunderts war ihre Zahl auf 60 gestiegen. DieTorwagen sind wohl noch in allgemeiner Erinnerung. Bis in die 70 er Jahre nahmen sie für die Person vom Brandenbnsger Tor bis Charlottenburg 2 gGr. Sie boten aber den Uebelstand, daß sie sich nicht an bestimmte Abfahrtszeiten banden. Es wurde abgefahren, sobald der letzte Platz besetzt war. (Aus dieser Zeit datiert die Redensart:es fehlt nur noch eine lumpige Person.) Der Uebelstand dauerte jahrelang, bis der Fuhrwerksbesitzer Kremser die Erlösung brachte, indem er zwar 3 Sgr. für die Person nahm, dafür aber zu vorbestimmten Zeiten pünktlich abfuhr. Die dankbare Nachwelt hält den Namen des Mannes fest, indem sie ihn auf die Art von Torwagen überträgt, mit denen Kremser rechts vom Brandenburger Tore hielt, während links die ältere Sorte von Wagen ihren Ausgangs- und Endpunkt hatte. Im Jahre 1846 erschien die erste Omnibusverbindung DönhoffsplatzCharlottenburger Schloßplatz. Die Strecke ist genau eine deutsche Meile lang; denn der erste Meilenstein steht heute noch ganz in der Nähe des Schlosses. Die erste Pferdebahn eröffnete ihren Betrieb im Jahre 1865. Zweiunddreißig Jahre