34 Ueber das Verhältnis der Heimatkunde zur Geschichte- und Altertumskunde.
gemacht. Wenn der Geringste unter uns sich freudig als Mllrker fühlt, so ist es wohl dies auch, welches macht, dass auf der Welthöhe von Glanz und Grösse Deutschlands Kaiser, im engeren Kreise seiner Getreuen, sich gern noch den Markgrafen nennen will.
Jeder Schritt, unserem oft geschmähten Sande eingeprägt, hat Bereicherung an Wissen von der Heimat bringen dürfen. Zwischen Berghaus und Fontane liegt es wie ein Abgrund des Stils und der Geschmacksrichtung; der Lokalpatriotismus füllt ihn aus. Die Vorteile, welche Geschichte und Altertumskunde aus ihm schöpfen, sind von solcher Tragweite, dass stundenlang von ihnen zu sprechen wäre, ohne sie zu erschöpfen.
Einige wenige Beispiele hiervon werden genügen.
Ein junger Offizier, durch ruhmvolle Wunden in seiner Laufbahn gehemmt, birgt seine unfreiwillige Müsse jahrelang im Erlenschatten des strom- durchrauschten Spreewaldes. Was erst nur Bürende amB'riedenderXatur,an eigenartiger Volkssitte gewesen, das steigert sich in seiner Seele zur sammelfrcudigen Arbeitslust. Sein Auge weiss zu sehen, sein feines Ohr versteht zu erlauschen, was unbemerkt oder stumm für Andere geblieben war, und das Ergebnis von dem Allen ist in kurzer Frist jenes bezaubernde Buch Willibalds von Schulenburg „Wendische Volkssagen und Gebräuche“, das in liebenswürdigster Klein- malerei der Wehmut über ein erlöschendes Volkstum Ausdruck leiht und dem Freund des Altertümlichen eine Dämonologie aufschliesst, so phantasiereich, so frisch und farbig, als sei ihre Sonne nicht untergegangen und ihr Abendrot sogar im Verglimmen.
Ein Rechtskundiger, ein Politiker hervorragenden Ranges, Parrisius, durchstöbert in Staub begrabene Aktenbündel im Archiv eines altmärkischen Städtchens, das sich kaum noch daran erinnert, einmal kaiserliches Hoflager gewesen zu sein. Es entsteigt ihnen die gequälte Gestalt Grete Miiule’s. Aus einer Brandstifterin wird sie zur unschuldig Gerichteten und es verstummt nach Jahrhunderten der entsetzliche, die Kanzel nicht ehrende, aber dennoch alljährlich von ihr herab wiederholte Fluch, an jenen anderen erinnernd, der unter finstererem Himmel noch heut in den Kirchen des rechtgläubigen Russlands gegen Gregor Otrepiew, den angeblichen falschen Dimitri, geschleudert wird.
Oder die Gelehrtenwelt läugnet die Existenz jenes letzten Wendenkönigs, Jazko, dem doch Friedrich Wilhelm IV. an schöner Ilavelbucht eine Denksäule gestiftet hatte; sie erniedrigt Petrussa, seine ihm feindlich gesonnene Muhme, zum wesenlosen Schemen. Da gräbt ein Sammler im märkischen :Sande und es finden sich die Münzen beider, Brakteaten, deren Metall Namens- züg oder Kopf derer trägt, die man zu einem blossen pseudohistorischen Klang herabzusetzen geneigt gewesen war.
Wozu die Exempel vervielfältigen? Reden die Paar Angeführten nicht überzeugend genug von dem fördernden Einfluss der Heimatkunde der Geschichte und Altertumsforschung gegenüber?
Die Vaterlandsliebe ist eine Empfindung, vor der wir uns tief verneigen; ungern würden wir sie an uns Nahestehenden vermissen. Bing mit ihr ver- schwistert, aber mit noch stärkeren Fäden an die Psyche geknüpft, lebt in der Brust eines Jeden das Heimatgefühl; jene etwas zum Glück des Gemein-