Heft 
(1892) 1
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r>r. C. Solle, Der Schwan in der Mark.

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betritt, mehr noch wer sanft geschaukelt zwischen ihnen hinfährt. Ein Ausdruck unaussprechlicher Lieblichkeit und stillen Friedens ersetzt diesem holden Flusse, dem Charakter des Flachlandes gemäss, was ihm au Grossartigkeit der Uferbilduug abgehen mag. Bläulich schimmern seine Wasser im Gegensatz zu den dunkler gefärbten der nahen Spree. Weiss sind auf ihm die Segel der Schiffe und darüber die flüchtigen Mövensittiche, weiss die Seerosen, in zahlloser Menge ihre Lotoskelche ö ffnend, wei&ser noch malen sich die schön geschwungenen Strandhügel von Werder, Kaput oder Teplitz wenn der Frühling die Kirschbaum- blüte, einem silbernen Regenschauer gleich, über sie ausgiesst, aber marmorweisser noch als all dies Köstliche glänzt doch auf dieser Havel ein vor allen Gewässern Europas ihr allein eigener Schmuck, die in jungfräulicher, alabasterner Helligkeit auf ihr hingleitenden Schwäne.

Diese Prachtvögel bilden zu eine]- Periode allgemeiner Abnahme des ursprünglichen Tiergewimmels umsomehr einen Charakterzug der Landschaft, als die anderen gewaltigen Flügelträger unserer heimischen Fauna: Kranich, Trappe, Rohrdommel, Graugans, kaum irgendwo noch uns anschaulich entgegen treten, ja sogar Reiher und Storch, unter dem Einfluss unausgesetzter Verfolgung, schon seltener zu werden beginnen. Sie sind fast das Einzige von grossartigerem Auftreten des organischen

Lebens ihrer Klasse, das übrig blieb und das Auge des Beschauers noch fesseln kann. Bieten aber in Wahrheit nicht gerade sie Ersatz für vieles Verlorengegangene?

Ein Vorzug der Gegenwart bleibt unbestritten. Wie weit auch die Phantasie nach rückwärts schweifen mag, sie wird niemals in Menschen­nähe so viel weisse Punkte, die Schwäne sind, auf einem Wasserspiegel gewahren, als ihr und dem Blicke selbst dies heutigen Tages längs der Havel zu schauen ein Leichtes ist. Gerade für den Märker, fin­den Berliner haben sich diese Schwanenbilder der Netzhaut frühzeitig­sten Natureindruckes so tief eingeprägt, dass sie von seinen liebsten und intimsten Erinnerungen unzertrennlich bleiben. Es liegt etwas

Wohliges, den Sinnen Schmeichelndes, zugleich etwas wehmutig Tr au- ri ges darin, sich zurückzurufen, wie man in glückseliger Kindheit, an der Hand lieber Eltern, im Saatwinkel etwa, einst zu traulichen Schwänen

Futter gestreut hat.

Man konnte früher mehr wie jetzt die hier zu Lande heimischen Schwäne als von zweierlei Art bezeichnen, nicht der Spezies, vielmehr ihrer Lebensweise nach. Sie waren entweder wilde oder zahme, stets vom Cygnus Olor-Typus, des Singschwans mit gelbem Schnabel (Cygnus musicus, Bechst.), der hin und wieder einmal vom höheren Norden zu uns herüberschweift, nicht zu gedenken. Mit den wilden hat es so ziemlich ein Ende genommen, höchstens sind sie auf dem Ücker- und

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