Heft 
(1892) 1
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Dr. C. Bolle, t>er Schwan in der Mark.

einigen anderen Seen noch in geringer Zahl vertreten, überhaupt auf äusserst wenige zerstreute Örtlichkeiten beschränkt. Dass zahme hier zu Lande in grösserer Menge als anderenorts vorhanden, weiss jedes Berliner Kind. Zwischen beide schiebt sich, nicht immer leicht erkenn­bar, nun eine dritte Kategorie, der aufs Neue verwildernde Schwan, ein.

Wie zahlreich einst der von der Naturforschung als Höckerschwan (Cygnus Olor) bezeiclmete Wildschwan hier zu Lunde gewesen sein müsse, davon legen viele auf ihn bezügliche märkische Ortsnamen deutscher wie wendischer Zunge Zeugnis ab. Sie scheinen darzuthun, dass nicht nur grössere Gewässer, nein auch stille Waldweiher und die Ufer umbuschter Fliesse in der Vorzeit Lieblingssitze des schönen Schwimm­vogels gewesen sind. Angeführt seien von hieher gehörenden deutschen: Schwanebeck, Schwaneberg, Schwanenhof, Schwanow, Schwante. (?) Von gestern erst datiert die Umtaufung der am Eingang des Wannsees gelegenen Havelinsel Sandwerder in das scheinbar besser klingende Schwanenwerder. Von wendischen Benennungen sei das mehrfach im ßrandenburgischen wiederkehrende Colpin, auch Cölpin, namhaft ge­macht, welches, slavistischer Auslegung gemäss, Schwanenteich bedeutet. Das wendische Idiom besitzt für Schwan zwei ganz verschiedene Voka­beln, deren eine Kolp jetzt nur noch im oberwendischen, die andere Son dagegen im niederwendischen Dialekt üblich ist. Son, näher an das germanische Wort anklingend, dürfte im Wilzischen nach unserer Schreibweise Schon gelautet haben und ist erkenntlich in den als Relikte übrig gebliebenen hybriden Lokalnamen : Schonenbake und

Schonenfeld.

Wie und wann diese Fülle von märkischem Wildschwanleben ein Ende genommen, ob durch schonungsloses Vertilgen, ob durch frei­williges Zurückweichen in gastlichere Wildnis, darüber stehen uns nur Vermutungen zu Gebot. Lange Jahrhunderte werden unstreitig daran thätig gewesen sein. Wir wollen versuchen, historisch wie hypothetisch, dem Verlauf dieser Wandlung, die mit dem Schaffen des zahmen Schwanes zusammenfällt, näher zu treten, insoweit Beides in den Bereich der Mark fällt. Es werden dabei ausserdem noch Punkte berührt werden, die zu denken und zu betrachten geben.

Vielleicht ist man versucht, sich das stolze Gespann Lohengrins ins Gedächtnis zurückzurufen, das freiwillig an seinen Nachen gekettet, diesen altgermanischen Sagenheld in die Nebel des Feenlandes, dem ei entsprossen war, heimführt. Lokal betrachtet, ist es eine echt frän­kische Erudition, der hierdurch Ausdruck verliehen ward; allerdings eine zunächst ripuarisch - fränkische, doch aber dem unteren Laufe des Rheins vielleicht nicht ausschliesslich angehörig. Mit dem Herrscher­geschlecht aus dem Hause Zollern kam eine Vorliebe für den Schwan, eine Art Kultus dieses Edelwilds, auch in unsere Mark. Wohl mochte