Heft 
(1892) 1
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Dr. C. Bolle, Der Schwan in der Mark.

praktischen Sinnes Kolorit und Grazie der Schwanenfamilie, die Wall­graben oder Schlossteich bevölkert? Wenig gewiss im Vergleich zu dem guten Braten und zu den noch nützlicheren Bettfedern, die dies Federrieh zu liefern verspricht, welches in ihren Augen zuletzt nichts Anderes als eine etwas grössere und fleischigere Gans darstellt. Des Schlachtens zahmer Schwäne wird wenig später ausdrücklich Erwäh­nung gethan. Nicht dem Postulat der Ästhetik, nein, weit hausback- neren Motiven hat mithin wohl die Schwanenzucht im Grossen hier ihren ersten Aufschwung verdankt. War die Bodenbeschaft'enheit der Landschaft nicht auch ganz dazu angethan, allen Bedingungen zur För­derung einer solchen zu genügen?

Allerdings trat zu den Beweggründe» auch fürstliche Frachtliebe hinzu. Das ganze Mittelalter -hindurch galt, von den heraldischen Fabelwesen abgesehen, der Pfau für den eigentlichen Baronenvogel. Er stellte sich dar als das Vornehmste von Allein, was der Burgfriede an Geflügel aufzuweisen hatte. Natürlich brauchte er ein Gegenstück für das nasse Element. Der Pfau also auf dem Lande, der Schwan im Wasser, was konnte als Schlossgenosse besser fürstliche Hoheit oder ritterbürtigen Adel vor dein Auge der frolmenden misera contribuens plebs repräsentieren?

Das Ding hatte bisweilen seine Kehrseite. Johannes von Müller berich­tet, wie, nach dem Tage von Morgarten, auf lange hinaus innerhalb der Eid­genossenschaft kein Pfau habe leben dürfen, damit der Boden des Landes der Freiheit gereinigt bleibe von jedem Schatten der Erinnerung an ver­gangene Dienstbarkeit; auch weil die Pfauenfeder an Helm oder Barett als Devise österreichischer Gesinnung gegolten hatte. Die Gewässer des Nordens von Deutschland blieben nun zwar hinsichtlich ihres Schwanen- bestandes von solch demonstrativem Eingreifen unberührt. Es gehörte aber selbst hier eine ausgedehnte Herrschaft über Wasserläufe und Flussufer dazu, um Schwäne in grösserer Anzahl halten und züchten zu können. Daneben bedurfte es der Autorität scharfer Verordnungei), um bei der Neigung dieser Vögel zum Umherschweifen Sicherung des Bestandes zu verbürgen.

Genau betrachtet, kennzeichnet sich überhaupt das Mittelalter weniger durch den poesievollen Glanz jener blauen Blume der Roman­tik, die in ihm geblüht haben soll, als vielmehr durch einen überaus hohen Grad von Lust an der Mehrung irdischer Güter, worin Junker und Pfaff übereinstimmten und dergestalt den vielgescholtenen Krämer­sinn der Neuzeit noch übertrumpften.

So waren es denn ohne Zweifel, vielleicht schon von der Zeit der schönen Else an, jedenfalls aber bald nach ihr, die Burgfrau und deren Beschliesserin, welche der Schwanenzucht am Eindringlichsten das Wort geredet haben werden. Man denkt dabei unwillkürlich an Katharina