Heft 
(1892) 1
Seite
51
Einzelbild herunterladen

Dr. C. Bolle, Der Schwan in der Mark.

51

augenblicklichem Bedürfnis. Gerupft wird Ende Mai und im August, welch letzterer Termin jetzt für die Sektion Spandau der alleinige sein soll. Ich erinnere mich, einmal vom Dampfschiff aus zwischen Pots­dam und Werder zwei Kalme erblickt zu haben, deren Fracht, von fern gesehen, aus umgekehrt eil weissen Gartenstühlen zu bestehen schien. Näher gekommen, klärte sich die Sache auf. Was ich für Stuhlbeine gehalten, waren lang ausgestreckt den Bord überragende Schwanen­hälse gewesen, deren körperliche Fortsetzung man der Stätte ihres Martyriums entgegenschleppte, natürlich Rupfens halber. Für das dies- fallsige Einliefern eines Schwans wird pro Kopf die Summe von 60 Pf. vom Königlichen Domänenamt gezahlt.

DerBär hat. einmal eine Abbildung der Rupfprozedur, Schau­platz Schildhorn, gebracht, wobei Alles tadellos nett und manierlich, man möchte sagen reinlich und zweifelsohne, zuzugehen scheint und die Patienten so lammfromm stillhalten, wie ein geduldiges Schaf, das geschoren wird, während andere Schwäne, noch im Wasser befindlich, sich freudig dem geforderten Opferdienst entgegen zu drängen scheinen. Dies Geschäft wird von Frauen und Mädchen, den sogenannten Rupf­weibern, meist aus dem Stande der ärmeren Fischerklasse und zwar für Potsdam auf dem Depothofe daselbst, für Spandau früher in Pichelsdorf, jetzt, wie schon bemerkt, auf dem Schildhorn und zwar hier im Freien vollzogen. Es steht vor den Rupferinnen, aber nur, wo sie unter Dach und Fach arbeiten, eine lange Rupfbank, fast hätte ich Marterbank gesagt, auf welche ein Schwanenknecht die Gefangenen, einen nach dem anderen gebunden legt. Das Rupfen, oder wie man sich offiziell milder ausdrückt, das Pflücke n, welches nun folgt, und bei welchem die Arbeiterinnen den Hals ihres Opfers zwischen die Knie klemmen, während ein Gehilfe, wenn es sein muss, das Tier festhält, ist insofern einfach, als zuerst die Federn, dann die Daunen von der Unterseite entfernt werden, ohne die Haut allzu sehr zu entblössen. Es erschwert sich nur dann, wenn der Schwan, was allerdings oft geschieht, sich nicht in Geduld fügen will, sondern aus Leibeskräften strampelnd sich wehrt.

Man weiss, welche Kraft ihm innewohnt; im freien Zustand ver­mag er durch Flügelschlag einem menschlichen Angreifer den Arm zu brechen. Jedenfalls darf angenommen werden, dass diese Na- jaden der Kietze froh sein müssen, ihr mühseliges Geschäft beendet zu haben und den Lohn dafür einstreichen zu dürfen. Das geringste aus Vorstehendem zu Folgernde ist, dass die Rupferin dem Schwan gegenüber in mehr aktiver, dagegen in minder liebevoll hingeben­der Attitüde sich befinden muss, als sie einst Leda gegen ihren in gleicher Gestalt ihr nahenden olympischen Liebhaber an den Tag gelegt haben wird,