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Dr. C. Bolle, Der Schwan in der Mark.
Wer erinnert sich nicht daran, wie H. Heine nicht nur Edith Schwanenhals, König Harald’s Liebchen, besungen, sondern auch den eben angedeuteten Vorgang in den Bereich seiner Dichtung gezogen hat?
Aber tief muss uns empören Was wir von der Leda lesen.
Welche Gans bist Du gewesen,
Dass ein Schwan Dich könnt’ bethören.
Wold bedarf es eines hohenGrades von Lokalpatriotismus und eines überaus weiten geographischen sowohl wie mythologischen Gewissens, um, verleitet durch die Assonanz der Namen, in dem Spreewalddorfe Lehde den Schauplatz dieses Zeusabenteuers wiederzuerkennen.
Man weiss auch, wie starke altgennanische Weiber, in ihrem Freiheitsdrange weit über die Emanzipationsgelüste der Gegenwart hinaus- gehencl, sich durch magische Kunst zu übermenschlichen Gebieterinnen von Luft und Fluten gemacht haben sollen. Dazu verhalt ihnen ein zauberkräftiges Schwanenhemd. Würde es einer unserer schönen Landsmänninnen einfallen, einmal auch der Abwechselung halber als Wal- kyre oder Meerfrau über das Nordmeer hinschweifen zu wollen, so würde sie bald den Balg eines zahmen Havelschwans als untauglich zum Dienst eines solchen Federkleides erkennen. Empfehlenswerter wäre ihr sothaner jedenfalls als Fussteppich oder Bettvorlage.
Der Eurotas, für Schwäne konventionell - klassische Lokalität, und die Seen von Hellas erfreuen sich eines zu milden Himmels, um jemals zu gefrieren. Anders unsere märkischen Gewässer. Sobald sich diese mit Eis bedecken, würde dem zur Flugunfähigkeit eines Riesenalks oder Pinguins degradierten Schwan die Möglichkeit seiner Lebensbedingungen genommen sein. Wiederum muss da der lange Hakenstock in Fischerhänden seines Amtes walten, diesmal in wohlthätiger Absicht; doch stelleu sich auch freiwillig Kommende auf den ihnen von früher her wohl bekannten Futterplätzen ein. Dies winterliche Einfangen geschieht oft hei dünnem Eise, in dem die Schwäne, welche anfangs durch Kreisen gewisse Stellen offen halten, bei zunehmendem Frost ein- frieren könnten; manchmal nicht ohne Lebensgefahr der Fänger.
Zu Potsdam wie zu Spandau, dort beim Lustgarten zwischen langer und Eisenbahn - Brücke, hier dicht am Berliner Thor beim Lazaret, erwarten eigens dafür bereitete Winterquartiere die Mehrzahl des Schwanenvolks, welches zu vielen Hunderten eingepfercht, bei spärlicher Kost von Gerste und Hafer ohne Obdach hier die Eiszeit überdauern muss. Das Amt des Fütteren* liegt zu Potsdam in der Hand des jedesmaligen Altmeisters der Fischer - Innung. Es sind von Natur warme, oder durch starke Strömung eisfrei gehaltene Stellen mit einem guten Stück flachen Ufers, die zu derartigen Ueberwinterungs-Stationen