Heft 
(1892) 1
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Dr. C. Bolle, Der Schwan in der Mark.

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Was haben diese Schwäne nicht Alles überdauert! Das grosse Elend des dreissigjährigen Krieges, die französische Invasion von anno sechs, die plötzliche Entfaltung ungezügelter Jagdlust von 1848. Wäh­lend Vieles stürzte und sich wandelte, um erst langsam wieder in

gewohnte Bahnen einzulenken, sind sie geblieben, wenn auch zeitweis an Zahl zusammengeschmolzen. Etwas wie gebotene Heilighaltung scheint unbewusst von ihnen auszugehen und die Volksseele ihrer Schaltung günstig zu stimmen. Der sie umgebende Zauber ist so mächtig, dass selbst ein so verbissener Verkleineren von Land und Leuten, wie Tis so t es in seinen Büchern über das Milliardenland war, diese Segler der Ströme, neben den Wendinnen, allein von seinem all- gemeinen Verdammungs-Urteil über alles Preussische ausgenommen hat. t Allerdings wird ihre Unverletzlichkeit nicht immer streng respek- t|ert. Manch hoch im Geröhricht oder Elsbruch zwischen den Sjchlenken aufgetünntes Nest muss es sich gefallen lassen, von Süss- wasser - Piraten ausgeraubt zu werden. Heisst es ja doch, dass ein Rührei aus Schwaneneiern zu den ausgesuchtesten Tafelgenüssen gehöre.

; Aber trotz gelegentlicher, mit Recht streng verpönter Missethaten, tijideu immer wieder an durch Abgelegenheit oder dem Gegenteil davon gesicherten Orten erneute Bruten statt und die Kopfzahl des Schwanen- vi>lks unterliegt im ganzen nur geringen Schwankungen, kaum in der Gegenwart einer Verminderung. Von Tödtung alter oder junger Schwäne durch Frevlerhand hört man glücklicherweise nur selten und gegen die Diminutiv - Räuber unserer Tierwelt weiss der starke Vogel sich hin­länglich selbst zu schützen.

Das Familienleben des Schwans ist ein musterhaftes. Die Gatten halten treu zu einander, so dass Verstösse gegen die unter ihnen herrschenden Grundsätze der Monogamie selten Vorkommen. Bei der Liebeswerbung umschlingen sich die Pärchen mit den Hälsen, der­gestalt in leidenschaftlich seliger Vereinigung das Bild einer Leier dar- hietend.

Beim Schlummern auf dem Wasser findet, wie versichert wird, ab­wechselnde Nachtwache des Einen von ihnen statt. Das Männchen, von Qi'seren Fischern der He mann oder Hegemann genannt, frägt der Schwanin beim Nestbau die Rohstoffe zu und überlässt ihr nur die kunstlose Anordnung derselben. Es hütet seine Gefährtin bei dem fünf Wochen währenden Brutgeschäft unausgesetzt und teilt mit ihr die zärtliche Fürsorge sowohl für die kleinen, grüngrauen Dunenjungen wie für die Heranwachsenden.

Erstere birgt die Mutter bisweilen bei unsicherer Lage zur Nacht­ruhe, von den Fittichen warm zugedeckt, auf ihrem Rücken. Mit Fauchen und Flügelschlag wissen beide Eltern jede feindselige Annähe-