Bericht Ober die Wanderfahrt nach dem Tegeler See etc.
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Rohr und Wasser zu erzielen weiss, der komme hierher. An dieser Stelle wird er es erkennen lernen.
Zwischen zwei Seespiegel gelagert, erscheint mm, einenrlnterlaken Brandenburgs gleich, das grosse und schöne Dorf Heiligensee, durch seinen Namen an den reichen geistlichen Besitz erinnernd, der vor der Kcfortnation hier bestand. Von dem Nachbarorte Nieder-Neuendorf, einer Gründung des grossen Friedrich, wird dasselbe durch eine Stromenge geschieden, welche hüben eine freundliche Häusergruppe nebst Fährstelle, drüben ein alter, baumreicher Gutspark einfasst. Früher hat dies Neuendorf der Familie von Benningsen gehört, aus welcher die letzte Besitzerin, die Frau Generalin, vor nicht langer Zeit mehr als neunzigjährig ihr Beben beschloss. Rittergutsbesitzer Cohn ist jetzt an ihrer Stelle Eigentümer.
Uber diese Dorfschaften hinaus erschliesst sich ein neues Havelbecken, das nördlichste von all den grösseren, welche zwischen Hennigsdorf und Planen so reizvolle Wasserscenerien darstellen. Seine Ufer zeigen indess weniger gefällige Umrisse, weil nun die, Wahlhöhen zurückweichen und die Prosa der Ackerfläche ihr Recht behaupten will. Nahe der Ausmündung der Bake, einer tief einschneidenden Bucht voll gigantischer Rohr- und Binsenvegetation, in der ein bei uns mehr und mehr verschwindender Sumpfvogel, die grosse Rohrdommel (Butaurus stellaris), noch brütet, machte unser Schiff Kehrt, um den Rückweg zu Thal bis zur Tegeler Spitze auf gleicher Fahrt zu bewerkstelligen. Mit dem Bandschaftsbilde schon näher vertraut, blieb den Reisenden volle .Müsse, jetzt auch der Staffage grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es gleiten die Fischerkähne, Netze werden geworfen; es baden Kinder; es segeln Boote und Schwäne; mit aneinander gefügten Stämmen schwimmen Flösse, vielleicht fernher aus Polen der deutschen Hauptstadt Holz zuführend, vorüber. Wir sehen einen grossen Hund ottergleich die Havel durchschwimmen. Überall am Ufer begegnen uns die gleichsam über Nacht aufgeschossenen Wohnsitze hier frische Luft und etwas Naturgenuss suchender Mitmenschen. Schade, dass in der Mitte von Gleichgestimmten diesmal unser Julius Rodenberg, der liebenswürdige und geistvolle Umwanderer Berlins, fehlte. Hier wäre sein so ausgesprochen humanitärer Blick auf das, was er am liebsten sieht, gefallen: auf in behaglichem Wohlsein sich mehrendes Menschenglück. Hier auch würde ihm, angesichts so lebhaften Strebens nach Bandbesitz, eine der tief empfun- densten Schöpfungen seiner Phantasie, Klagemanns Grundstück, verhundertfacht und dem melancholischen Bichte des Gemeindefriedhofs entrückt, vor die Seele getreten sein.
Zum zweitenmal wird die Ultima Thule der Tegeler Spitze umschifft. Jetzt ist es der vielberufene See selbst, der uns umfängt; zuvörderst jener vordere See, „Baum“ genannt, den nur noch wenig Festland, desto