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Das Dreiiuttnnerrelief im Jagdschloss Grunewald.
Das Alles deutet darauf hin, dass es sich um einen Vorgang beim Schlossbau handelt; ein Vorgang, der den Kurfürsten und wohl den ganzen Hof lebhaft interessiert hat. Ernsthafter Natur kann die Sache nicht gewesen sein, da sie sich um das Trinken dreht, vielmehr wird der Vorfall lebhaft belacht worden sein. Wenn das richtig ist, so muss sich das Lächerliche auch in der bildlichen Darstellung vortinden, und ich sehe es in dem Missverhältnis des kleinen Bechers zu der kräftigen Figur des Theys, der den Eindruck macht, als könnte er einen tüchtigen Zug thun. Wenn er mit diesem kleinen Ding vor die Versammlung trat, so musste jeder glauben, dass er damit nur verdecken wollte, was er für ein kräftiger Trinker sei.
Doch die Sache hat noch eine andere, eine kulturhistorische Seite. Die Verse besagen, dass Buntschuh den Becher in seiner Tasche gehabt habe, und das erinnert uns an die damalige Sitte, sein eigenes Trinkgeschirr mit sich zu führen. Es ist ja bekannt, dass zur damaligen Zeit eine bösartige, ansteckende Krankheit zahlreiche Opfer forderte, und dass man aus Furcht vor Ansteckung nicht aus einem Gefäss trinken mochte, das ein anderer vorher an die Lippen gesetzt hatte. Der Becher aber, den Buntschuh aus der Tasche genommen hat, ist ein solches nur für den Privatgebrauch des Besitzers bestimmtes Gefäss. Wenn also der Baumeister dieses will in der Versammlung kreisen Bussen, nachdem er selber den ersten Trunk daraus gethan, so macht er sich lächerlich und verstösst zudem gegen die herrschende Sitte.
Was kann das aber für eine Gelegenheit gewesen sein, bei welcher der Baumeister einen öffentlichen Trunk that? Doch gewiss nichts weiter als das Richtfest. Damit Hesse sich auch in Einklang bringen, dass Theys in Hemdsärmeln dargestellt ist. Bei all’ solchen Festen wurden immer stehende Gebräuche befolgt, und es lässt sich wohl denken, dass derjenige, welcher den Richtspruch ausbrachte, in Hemdsärmeln erscheinen musste, um anzudeuten, dass er selber an dem Bau mitgearbeitet habe. Vielleicht lassen sich jetzt noch positive Beweise für oder gegen diese Annahme erbringen, mir aber liegt die Frage zu fern, als dass ich mich jetzt damit beschäftigen könnte.
Nach allem nun, was ich bisher gesagt habe, würde die Erklärung des Reliefs kurz folgende sein: Die Mittelfigur ist der Baumeister
Casper Theys; zu seiner Linken steht sein Gehülfe, Kunz Buntschuh, zu seiner Rechten ein kurfürstlicher Beamter. Dieser fordert den Bau- meister auf, sich mit dem kleinen, nur für den Privatgebräuch bestimmten Becher nicht lächerlich zu machen und Anstoss zu erregen, sondern das Richtfest mit einem Trunk aus dem grossen Willkomm einzuleiten, wie es die Sitte erheischt.