Heft 
(1892) 1
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Moabit.

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Dr. Jettmars, im Kreise der Kollegen kund gegebene Ansicht fand bei den Vertretern des biblischen wie des klassischen und des noch mehr prävalieren­den franzüsichen Standpunktes keinerlei Beachtung. Dazuinal vermutete eben noch niemand die Bedeutung des slavischen Weltelements.

Aber während die Herren im Oberstock und im Garten stritten und scherzten, fällte im Erdgeschoss die Dienerschaft das Volksurteil:Wat se man will'n; wi sinn ja sülwsten Mochabiter un de olle Hofjärtner hier uf de Meierei is ok so en vermoster Kerl!

So wenig ich damals solche dem Kinde immerhin haftende Rede ver­stand, so glücklich hat dieselbe mir später weiter geholfen.

3.Moehab undvermoster Kerl sind die leitenden Stichworte. Möcliab ist eine slavische, verkürzte lrädikativform.Moch = Moos. Die russische Sprache hat noch jetzt sowohl das Substantiv Moxt. = Moch wie das Adjektiv, letzteres in der Attributivform MnxnuüN = mochawoi, in der Prädikativ­form mixoBi = mochuw, d. i. moosig, moosreich mit dem Nebenbegriff: feucht, sumpfig. K|i*H ikWobi = kraj möehaw heisst: die Gegend ist moosig, sumpfig; öepen. muxom, = bereg möehaw heisst:das Ufer ist moosreich, trägt Wiesen­charakter.

Welche einfache, natürliche Erklärung des Namens Mochaw, Mojab, Moub! Es heisst:Moosland, bez.Sumpfwiese. Bekanntlich haben die Menschen aller Zeiten, ganz besonders alte Naturvölker, Ortsnamen aus der Beschaffenheit der Anlagegegend mit Vorliebe herausgebildet. So auch hier. Wir kennen noch recht gut Alt-Moabit als unmittelbar in der flachen Gegend am Spreerand gelegen. Fügen wir gleich ein: wie bald und leicht mögen einzelne Kolonisten, später Zuziehende, namentlich die Franzosen, die nahen trockenen Landgrund und mehr trockene Luft darbietenden Berge bei den Moos wiesen aufgesucht haben. Ferner: wie schnell mögen sprach­lich unverständige Fremdlinge, Deutsche bez. Franzosen aus dem slavischen Wortebereg = Ufer sich das ganz entgegengesetzte WortBerg zurecht- geformelt und damit der Vorbewohner Bezeichnung verwischt haben!

Im Gegensatz zum deutsch gewordenenDem Berlin blieben bekannt­lich südwärts von Wenden bewohnt dieRollberge, d. h.Sandberge. Desgl. vergl. die neuesten Funde auf der nahegelegenenJudenwiese im Märkischen Museum nordwärts am Spreeunterlaufe blieben Reste der Wenden. Jene: Sand-Berg-Bauern; diese Moos-Wiesen-Bauern. Beide nach Brauch der Zeit missliebig betrachtete und wenig freundlich behandelte Leute,

4. Immer ist es der deutschen Zunge schwer geworden, die weichen Laute der Slavensprache nachzubilden. Daher namentlich seitdem französeln- der Geschmack die Zunge übermässig spitzte und schärfte, ward beiMöehaw aus dem weichen Schluss-w ein hartes b; und das mittlere ch ward dem Berlinismus zu j, er sprach Mojabiter. Schliesslich warf er achtlos und ver­führt durch den BibelnamenMoabiter das j ganz fort.

Dass für dieBewohner an die Ortsbenennung die Doppel-Endung iter statt der gemeinhin üblichener gehängt worden ist, hat gleichfalls im Volksscherz seinen Anlass. Wir, die wir dazumal die Bänke der Klipp­schule redlich gedrückt haben, sind sehr bibelgeübt. Und volkstümlich

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