Moabit.
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Dr. Jettmars, im Kreise der Kollegen kund gegebene Ansicht fand bei den Vertretern des biblischen wie des klassischen und des noch mehr prävalierenden franzüsichen Standpunktes keinerlei Beachtung. Dazuinal vermutete eben noch niemand die Bedeutung des slavischen Weltelements.
Aber während die Herren im Oberstock und im Garten stritten und scherzten, fällte im Erdgeschoss die Dienerschaft das Volksurteil: „Wat se man will'n; wi sinn ja sülwsten Mochabiter un de olle Hofjärtner hier uf de Meierei is ok so en vermoster Kerl!“
So wenig ich damals solche dem Kinde immerhin haftende Rede verstand, so glücklich hat dieselbe mir später weiter geholfen.
3. „Moehab“ und „vermoster Kerl“ sind die leitenden Stichworte. „Möcliab“ ist eine slavische, verkürzte l’rädikativform. „Moch“ = Moos. Die russische Sprache hat noch jetzt sowohl das Substantiv Moxt. = Moch wie das Adjektiv, letzteres in der Attributivform MnxnuüN = mochawoi, in der Prädikativform mixoBi = mochuw, d. i. moosig, moosreich mit dem Nebenbegriff: feucht, sumpfig. K|i*H ikWobi = kraj möehaw heisst: die Gegend ist moosig, sumpfig; öepen. muxom, = bereg möehaw heisst: „das Ufer ist moosreich, trägt Wiesencharakter“.
Welche einfache, natürliche Erklärung des Namens Mochaw, Mojab, Moub! Es heisst: „Moosland“, bez. „Sumpfwiese“. Bekanntlich haben die Menschen aller Zeiten, ganz besonders alte Naturvölker, Ortsnamen aus der Beschaffenheit der Anlagegegend mit Vorliebe herausgebildet. So auch hier. Wir kennen noch recht gut Alt-Moabit als unmittelbar in der flachen Gegend am Spreerand gelegen. Fügen wir gleich ein: wie bald und leicht mögen einzelne Kolonisten, später Zuziehende, namentlich die Franzosen, die nahen trockenen Landgrund und mehr trockene Luft darbietenden Berge bei den Moos wiesen aufgesucht haben. Ferner: wie schnell mögen sprachlich unverständige Fremdlinge, Deutsche bez. Franzosen aus dem slavischen Worte „bereg = Ufer“ sich das ganz entgegengesetzte Wort „Berg“ zurecht- geformelt und damit der Vorbewohner Bezeichnung verwischt haben!
Im Gegensatz zum deutsch gewordenen „Dem Berlin“ blieben bekanntlich südwärts von Wenden bewohnt die „Rollberge“, d. h. „Sandberge“. Desgl. — vergl. die neuesten Funde auf der nahegelegenen „Judenwiese“ im Märkischen Museum — nordwärts am Spreeunterlaufe blieben Reste der Wenden. Jene: Sand-Berg-Bauern; diese Moos-Wiesen-Bauern. Beide nach Brauch der Zeit missliebig betrachtete und wenig freundlich behandelte Leute,
4. Immer ist es der deutschen Zunge schwer geworden, die weichen Laute der Slavensprache nachzubilden. Daher namentlich seitdem französeln- der Geschmack die Zunge übermässig spitzte und schärfte, ward bei „Möehaw“ aus dem weichen Schluss-w ein hartes b; und das mittlere ch ward dem Berlinismus zu j, er sprach Mojabiter. Schliesslich warf er achtlos und verführt durch den Bibelnamen „Moabiter“ das j ganz fort.
Dass für die „Bewohner“ an die Ortsbenennung die Doppel-Endung „iter“ statt der gemeinhin üblichen „er“ gehängt worden ist, hat gleichfalls im Volksscherz seinen Anlass. Wir, die wir dazumal die Bänke der Klippschule redlich gedrückt haben, sind sehr bibelgeübt. Und volkstümlich
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