164 Der Kunstunterricht am Hofe des Gr. Kurfürsten von I>r. Georg Galland.
Und letzterer war so gross, dass Schwerin »her «len \ erlauf seiner pädagogischen Tiiätigkeit auf das genaueste berichtete, fliese 'lau um Tag niedergesehriebenen Berichte liegen in jenem zwei l’tdiobämle umfassenden Erziehungs-Journal des lieh. Staatsarchivs zu Berlin vor. Das Journal, die llau|it«|uelle für unsere Betrachtungen, ist nicht allein eins der wichtigsten Dokumente, die von l’rinzenerziehung handeln: «*s enthält auch eine Fülle kulturhistorisch interessanter Bemerkungen über Begebenheiten des Brandenburgiseh- l’reussisehen lloflebens aus dem allerdings nur kurzen Zeitabschnitt von 1663 bis ca. 1672.
Das Journal beginnt am 1. Januar 1663. Schwerin üussert sich zunächst in einem Vorwort über seine Erziehungsmethode, wie sie bei dem damals 8jährigen Kurprinzen in Anwendung gebracht wurde. Niemand wird ihr das Lob, dass sie nach rationellen Gesichtspunkten aufgestellt ist, vorenthalten. Schwerin schreibt: „Der Anfang zum Studieren ist auf diese Art gemachet. Um 6 Uhr habe ich «len Prinzen gewöhnet willig und ohne Verdruss aufzustehen. Darauf ullsofort geschwind kleiden lassen. Nach Ende solcher Kleidung habe ich Ihn alle Zeit suchen zum Sprechen zu bringen, und «leshalb das Eine und Andere erzählet. Hiernach ha Im ich nebst dem Prinzen sofort das (leimt knieend gethan . . . Um 7 Uhr hat Monsieur Stephani den Anfang mit «lern Instituiren gemachet, erstlich mit Lesen, da der Prinz noch nicht recht buchstabiren können; hiernach Vokabeln und kleine Fragen aus dem Katechismus beigebracht, dann wieder etwas lesen lassen und dann in der Charte von Europa unterwiesen. Nach 9 ist der Prinz im Schreiben unterrichtet, und darauf bis Essen im Tanzen. Nach Essen ist dem Prinzen bis 2 Uhr zu spielen vergönnet, worin ihm alle Zeit sein freier Wille gelassen, jedoch habe ich allemal dahin gesehen, «lass Er auch zugleich solche Spiele gethan, «labei Er zugleich etwas lernen und so
wohl das Ingenium als auch den Leib exerziren können. Von
2 bis 3 schreibt der Prinz wiederum, hernach studiret der Prinz Vorgedachtes bis 4, halb 5 oder gar bis 5 . . . Um halb 9 aber aufs späteste bringe ich den Prinzen nach gehaltenem Gebet zu Bette.“
Weder von Musik noch von zeichnerischer Übung ist also zunächst die Rede, dagegen wird dem Tanzunterricht von Anbeginn ein ganz besonderer Spielraum gelassen. Doch tritt sehr bald auch die ersterwähnte Kuustühung in den Lehrplan. Der Kurprinz erlernt das Flöt« 1 - spiel und giebt sich ihm eifrig hin, da desselben in der Folgezeit mehrere Male in der Woche Erwähnung geschieht. Wer diesen Unterricht ertheilte, wird leider an keiner Stelle des Journals mitgeteilt. Dieser Umstand und gewisse Bemerkungen, wie: „Der Musikant heute nicht gekommen“, scheinen mir darauf hinzudeuten, dass der Lehrer kein namhafter Künstler war. Sicherlich darf man ihn unter den Mitgliedern der kleinen Hofkapelle des Kurfürsten suchen, fn dieser wirkte auch