Kin merkwörfliges Schlossplatz-Haus
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Ein merkwürdiges Schlossplatz-Haus.
Dem Wandrer durch Berlin, der die Gebäude mit kritischem Blicke ansieht, fällt sofort das links von der „Langen Brücke“ gelegene Haus No. 11 mit seinen 4 aus Stein gehauenen Säulen, das einzige dem Schlosse als „Vis-it-vis* würdige auf, und doch wusste bisher kaum Jemand darüber Auskunft zu geben, wie gerade dieses einzige noble Gebäude dort auf dem Schlossplatz entstanden ist. Ein Zufall verschaffte mir jüngst beim Arbeiten in den städtischen Archiven davon Kunde, dass Friedrich der Grosse selbst die Initiative für das Haus, das er, wie es in der Urkunde heisst, „von Grund aus neu erbauen liess“, ergriffen hat.
Indem ich im Uebrigen auf den Text der folgenden Urkunde selbst verweise, schicke ich folgendes zum allgemeinen Verständniss voraus: Der freie Theil des Schlossplatzes erstreckte sich im IG. Jahrhundert nur zwischen Spree und Breite Strasse — incl. Damm, dem freiliegenden Marstall und der Kennbahn, längs des Schlosses rechter Hand von der langen Brücke. Die ritterlichen Spiele hatten in der Renn- oder Stechbahn gegen Ende des 17. Jahrhunderts aufgehört, dafür waren nicht nur dort Verkaufsbuden von Handwerkern und Kaufleuten, sondern auch auf den andern beiden Seiten, dem Domkirchhofe zwischen dem Schlossportale und der Breiten Strasse, und vor dem Marstall als 3. Seite entstanden.
Nach Vollendung des Schlüter’schen Prachtbaues, unseres Schlosses, hatte eins nach dem andern der den Schlossplatz verunzierenden Gebäude weichen müssen. Die Stechbahn war schon mit ihren Hallen geschwunden, der als Glockenthurm dienende Askanier Wachtthurm, auch als Gefängniss oft benutzt, folgte 1716; 1747 liess König Friedrich den alten Dom abbrechen und einen neuen mit der Fürstengruft im Lustgarten aufführen. Hierbei fiel auch gleich die an die Kirchhofsmauer bis gegen das Schloss angefügte Budenreihe, nur die vor dem Marstall mit der Zeit angewachsene Reihe stand noch. Allerdings war dies die günstigste Lage für die Inhaber, denn die grosse Verkehrsader zwischen Berlin und Köln ging gerade vor ihnen vorbei, und die Geschäfte standen gerade unter den Augen des Königs.
Hier war es nun, wo der Meister Röseler, seines Zeichens ein Kürschner, der von Nürnberg seine Kunst, ohne die in den grossen süddeutschen Reichsstädten kein Patrizier oder Ritter sein mochte, hier eingebürgert hatte; sein Handwerk trieb. Der König muss an den geschickten fleissigen Mann, den er später, wie die Akten ergeben, auch zum Hof-Kürschner ernannt hat, Gefallen gefunden haben, denn er hat ihm a. 1769 nicht nur das schöne Haus (vielleicht von F. v. Gontard) an Stelle seiner Bude „von Grund aus neu bauen“ lassen, sondern auch noch den Vertretern der Provinz befohlen, das Röseler’sche Haus auf 6 Jahre von der zu den Staatseinnahmen fliessenden Grundsteuer („Sehoss“)freizulassen. —In der Franzosenzeit gereichte auch dieser Familie der Besitz eines Hauses zum Verderben, da alle Kriegslasten ohne Weiteres auf die Häuser repartirt wurden, und wo diese nicht gezahlt werden konnten, wurden die Häuser einfach zwangsweise — wenn sich überhaupt Bieter fanden —
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