Heft 
(1892) 1
Seite
211
Einzelbild herunterladen

Svinliolisrlic [{cclitMullcrKtmer.

211

lichen Stumpf belinden sich eben solche Zeichnungen. Nimmt man zu dieser Zeichnung neben der gekrümmten Gestalt des Stabes dessen spitzigen Verlauf, so irrt man wohl nicht, beide Stücke als von ein und demselben Zweige und Baume herrührend anzusehen und in denselben einen zerbrochenen Weidenzweig, und zwar von der Korbweide, Salix viminalis, zu erldicken. Dass dieser Stab unverhiiltnismiissig stark dar­gestellt ist, darf bei dem zerbrechlichen Material nicht auftallen, dass in den Strichelungen Blätter angedeutet sind, aber nur zu dem Zwecke, die Holzart erkennbar zu machen, darüber kann wohl kaum ein Zweifel ob­walten, so dass man zu der Annahme berechtigt ist, der Stab sei nicht mehr beblättert, sondern sogar geschält. Denn was soll an dieser Stelle der Stab, noch dazu augenscheinlich zerbrochen, wenn er nicht mit der Eigenschaft des leichteren Zerbrechens, der Rindenlosigkeit, versehen ist. Der geharnischte Mann hat den Stal» erst zerbrochen, dieses Moment ist dargestellt. Zerbricht man einen Stab, so fasst man mit der Tunken das dicke Ende und bricht mit der liechten das Übrige ab. Dieser Er­fahrung entspricht die Darstellung genau. Somit ist der Augenblick dargestellt, in dem ein ritterlicher Mann höheren Alters einen geschälten Weidenstab zerbrochen hat.

Zur Erklärung dieses Sinnbildes Ist folgendes anzuführen: Seit den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, vom Stabe Moses über die Stäbe der römischen Konsuln und die weissen Stäbe der Zauberer und Hexen­meister des Mittelalters, den Korporalstock des 18. Jahrhunderts bis zum Szepter und Krummstab ist der Stab das Symbol der Hoheit und der Macht. Soweit Deutschland in Betracht kommt sind 2 Stäbe zu erwähnen, die in ihrer äusseren Erscheinung eine gewisse Übereinstimmung zeigen, das ist der Zauberstab und der Stab, den der Richter über dem dem Tode verfallenen Missethäter zerbrach. Aus den Verhandlungen in Ilexenprozessen gellt hervor, dass der Zauberstab weiss war und aus einem abgeschälten Weidenast bestand.Fass, so sprach der Teufels­buhle zu der angehenden Hexe,fass an diesen Stock und vergiss deinen Gott. Dieser Stab war aber das Zeichen der Macht über mindestens einen Teil der überirdischen Welt. Wenn von dieser Macht auch nichts erwiesen ist, so hatte die Vorstellung davon seiner Zeit und teilweise bis in die Gegenwart das ganze Volkswesen derart durchdrungen, dass diesem Stab eine bannende Macht zugewachsen war.

Wenn in ältester Zeit das unanfechtbare Urteil gesprochen oder in späterer Zelt das Todesurteil vollstreckbar geworden war, zerbrach der das Urteil verkündende Richter einen weissen Stab, der ursprüglich ein geschälter Weidenast gewesen war und warf die beiden Enden vor dem Verurteilten auf die Erde nieder. So lange der Stab unversehrt war, galt er und war er das Zeichen der Macht dessen, der befugt war über Leben und Tod zu richten, einer Macht, die genau besehen, der göttlichen