Heft 
(1892) 1
Seite
216
Einzelbild herunterladen

216

Symbolische Hechtsaltertümer.

Brandenburg u. s. w. Gegenüber diesen sein- ernsten Hinweisen gab es auch solche, welche weiter nichts als eine Mahnung enthalten. Über dem rechten Bogen der Thür, welche in das ehemalige Refectorium der Stiftsherren des Domes zu Havelberg führt, befindet sich eine erst in neuerer Zeit wieder ausgegrabene, ihrer Bedeutung nach von mir er­klärte Wandmalerei, welche den Stiftsherren, wenn sie zu Tische gingen, ein ernstes:Gott sieht alles, Gott hört alles, Gott weiss alle Dinge*) zurief. ln ähnlicher Weise ist auch die hier vorliegende Inschrift auf­zufassen. Es soll den Richtern alle Zeit gegenwärtig gehalten werden, dass sie eben auch nur Menschen sind und dass sie dessen eingedenk sein mögen, während sie den weissen Stab noch unverletzt in der Hand haben und des ihnen anvertrauten Amtes walten. Denn die Kleinheit der Schriftzeichen und die bis ins Unverständliche gehende Abkürzung der Worte sprechen deutlich dafür, dass der Inhalt der Inschrift nicht fin­den grossen Haufen bestimmt war. Dem gegenüber sagte die für die Menge bestimmte Gestalt etwas anderes, aber auch in der Form einer Mahnung:Richtet Euch so ein, dass der Richter nicht in die Ragt* kommt, so dazustehen, wie Ihr ihn hier seht. Hat er seinen Stab erst zerbrochen, so ist es mit dem Leben vorbei.

Nach dem Voraufgeführten haben wir es in dieser Bleifigur nicht mit einem Spielzeug, nicht mit einer Erfindung müssiger Laune, sondern mit einem ebenso ernsten als wertvollen Stück aus der Urväter Hausrat zu thun, mit einem Sinnbild der höchsten richterlichen Gewalt. Sein Wert muss steigen, in dem Masse als man sich überzeugt hält, dass nur wenige Stücke, vielleicht nur dies eine Stück, auf die Gegenwart ge­kommen sein mag. Die Direktion des Märkischen Provinzial-Museums kann zu dieser Erwerbung nur beglückwünscht werden.

II.

Über Armsünder-Glöckchen und Miniatür-Gerichtslauben (Lübscher Baum).

Von Ernst Friedel.

Der Deutung des Herrn Carl Altrichter, dass die Bleifigur des Märkischen Museums, die in der That von grösster Seltenheit und von hohem kulturgeschichtlichen Wert ist, eine Art Roland oder Rechts- Ritter darstelle, kann ich mich nur anschliessen, ebenso, dass es sich bei diesem zierlichen Goethe würde sagenartigen Figürchen

*) Verhandlungen der Anthropologischen Gesellschaft von 1888. S. 558 mein Bericht v. 10. Dezbr. 1888.