Heft 
(1892) 1
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Symbolische Rechtsaltertftiner.

Ähnlich verhält es sicli mit den Miniatür-Gerichtslauben, von denen das Märkische Museum (Katalog B. VI. No. 6076) ein getreues Facsimile aus Eichenholz besitzt, genau nach dem für die Preussischen Staaten noch im 18. Jahrhundert vorgeschriebenen Modell angefertigt.

ausgabe einer Armsünderglocke. Daher die Redensart: die Schand- glocke ziehen.

Die amtliche Benennungder Lübsche Baum für diese sym­bolische Darstellung einer Gerichtshalle erscheint im ersten Augenblick befremdend. Dennoch ist sie für denjenigen, welcher die Wandelungen unseres deutschen Strafverfahrens vom Sachsenrecht durch die hochnot­peinliche Gerichtsordnung Karl V. (Constitutio criminalis Carolina) bis in die neuerlichen partikular rechtlichen Strafprozess-Ordnungen verfolgt, ohne Schwierigkeit zu erklären.

Das Notgedinge wurde nach Lübischem (Sachsen-) Recht anfänglich unter einem ansehnlichen, schattigen Baume im Freien gehegt, diese Gerichtsstätte wurde daher kurzwegder Lübsche Baum genannt. Dergl. Stellen sind in Deutschland viele; ich erinnere an eine früher bei, jetzt im Weichbild von Kiel belegene bekannte Stelle, noch heut diesen Namen führend, obwohl der Baum längst verschwunden ist.

Später wurden offene hölzerne, oben aber verdeckte Hallen für die Rechtspflege errichtet, in Erinnerung an die Rechts-Bäume, Lauben genannt. Später sind sie durch offene steinerne Gerichts-Lauben ersetzt, die meist, wie in Berlin, mit dem Rathaus in Verbindung ge­bracht wurden.

Als die Rechtssprechung im heimlichen Verfahren stattfand, wurden die offenen, aus dem Lübschen Gerichtsbaum hervorgegangenen Gerichts-

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Diese kleine Gerichtslaube, fast an ein Puppen- Spielwerk aus der Kinderzeit erinnernd, stellt eine gotische Kapelle dar, ist 1 1/2 Fuss lang, 7 Zoll breit und bis zur First des geschrägten Daches 1 Fuss hoch. Am vorderen Ende des Kirchleins ist eine kleine Tür, hinten im inneren Raum ein Kruzifix angebracht. Über der Tür­seite befindet sich auf dem Dach ein kleiner Turm (Dachweiter) mit einem Messing-Glöckchen, von dem eine Schnur nach der Thür ins Innere der Kapelle hinunter reicht.

Diese merkwürdige Vorrichtung, genannt der Lübsch e Baum , wurde im Dienste der heimischen Strafrechtspflege bei schweren Ge­richtsfällen gebraucht. Nach Fällung und Ver­kündigung des Urteils läutete der Gerichtsdiener die erwähnte kleine Schwelle, diese Miniatür-