Eber vorgeschichtliche weibliche Handarbeit.
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Ich erlaube mir, Ihnen, geehrte Anwesende, hier die Abbildung einiger Knochennadeln aus den Höhlen der fränkischen Schweiz vorzuführen. Es sind Formen darunter, welche — wie wir später sehen werden — noch nach Jahrtausenden Geltung hatten.
Die besonderen Ansprüche, die an eine Nähnadel gestellt wurden, waren sicherlich immer eine gewisse Glätte und eine Spitze am unteren Ende; ob man gleich an ein Ohr gedacht hat, steht Nahin. Es giebt unendlich viele Nadeln, welche nicht geöhrt sind, sondern nur eine Einkerbung am oberen (stärkeren) Ende zeigen. Könnte diese Einkerbung nicht den Zweck gehabt haben, einen umgelegten Faden am Abgleiten zu hindern? Wenn wir diese Möglichkeit zugeben, erweitert sich das für die Lebensgeschichte der Nähnadel erkannte Gebiet; und manches Stück, das man etwa nur für einen Pfriem angesehen hat, wird Gegenstand beliebiger Deutung.
In dem prähistorischen Schanzwerk von Lengyel in Ungarn woselbst verschiedene Kulturen nachgewiesen wurden, — auf Höhlenbewohner folgten Leute, welche schon die Bronze kannten, und Einiges unter den Funden beweist, dass die Ansiedlung vielleicht bis in die Eisenzeit sich erstreckte — sind auch wiederholt Knochennadelu gefunden worden. Pfarrer Mauritius Wosinsky, der Erforscher jener alten Kulturstätte führt in seinem darauf bezüglichem Werke an: „Eine zum Nähen verwendete, am oberen Ende mit einem Ohr für den Faden versehene, polirtc Beinnadel. Die Spitze ist ganz rund, der Körper aber etwas flach, jedoch nicht nur die Spitze, sondern die ganze Nadel sehr sorgfältig polirt, Länge 8 cm., Breite oben 6 mm. Dies ist die erste Beinnadel, welche zweifelsohne zum Nähen verwendet worden war; denn wenn sich auch ausnahmsweise durchbohrte Pfriemen fanden, so eigneten sich diese wegen des breiten Kopfes keinesfalls zum Nähen, und das Bohrloch diente lediglich zum Tragen.“
Wie wenig Rücksicht oft auf einen breiten Kopf genommen worden ist, erkennen wir in zahllosen bronzenen und eisernen Nähnadeln, von denen Sie nachher Abbildungen sehen werden. Wir können und müssen uns sagen, dass die Stoffe, in welche solche derben Nadeln fuhren, auch verhältnissmässig derb gewesen sind, und dass {die Metallfäden oder vielmehr Drähte, mit denen man später ein Gewand bestickte, ein bequemes Öhr verlangten.
Es wäre ein inüssiges Bemühen, aus der Art einer jeden Nadel auf ihre Verwendbarkeit zu schliessen. Dasselbe Exemplar, das sich dazu eignet, einen Saum in Leinenzeug herzustellen, kann auch zu Arbeiten benutzt werden, die — strenge genommen — ein Flechten bedeuten, wie es z. B. das Stopfen unserer Strümpfe ist. Die Kunst des Flechtens mit Nadel und Faden beschränkt sich aber wiederum nicht auf Stopfen u. dgl., sondern kommt auch bei vielen andern Handarbeiten zur An-