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Über vorgeschichtliche weibliche Handarbeit.
Wendung: sie verlangt oder lässt dann eine Form der Nadel zu, welche allerdings nield für das Nähen auf Leinenzeug geeignet ist. Man kann also die Bezeichnung „prähistorische Nadel“ nicht scharf abgrenzen; es sei denn man läge ihr den Maassstab unter, der für unser jetziges zierliches Gerät gilt, — dessen grober Vetter die Sack- und Parknadel ist.
Im Museum zu Stettin befinden sich Nähnadeln aus wendischer Zeit, ohne Ausnahme an verschiedenen Stellen in Stettin nebst amlern Objekten wendischer Zeit ausgegraben. Alle diese Nadeln — etwa 20 Stück — sind aus Knochen, oben meist breit, mit einem durchgebohrten, runden Loch versehen, sonst von kreisrundem Durchschnitt und meist auffallend geglättet. Auch kleinere Knochenmulein sind mehrfach vertreten. Herr Professor Genicke in Stettin, dem ich diese Mitteilung verdanke, schreibt: die groben, wendischen Nähspiesse würden kaum Interesse für uns haben. Im Gegenteil, ich nehme an, dass dieser Goliath unter den Nadeln eine besonders freundliche Aufnahme finden wird, und lasse die Abbildung umhergehen.
Doch wir müssen zum Anfang unserer Betrachtung zurückkehren! — Der gütigen Vermittlung von Herrn Professor Hanke in München verdanke ich die Ihnen vorhin vorgelegten Abbildungen von Knochennadeln aus Höhlen der fränkischen Schweiz. Diese Nadeln gehören der jüngsten Steinzeit an; es sind verschiedene Arten unter ihnen vertreten. Wir sehen Nadeln mit. einem Ohr am oberen Ende, solche mit zwei Ohren daselbst, eine Nadel, bei welcher das Öhr in der Mitte liegt, und Nadeln, welche nur eine Einkerbung aufweisen.
Wie beredt ist die Sprache dieser Zeugen einer längst dahingeschwundenen Zeit! Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir bauschenden Verschiedenes, wol gar sich Widersprechendes heraushören ; aber unserer Einbildung oder unserm Wissen wird in jedem Falle eine Bereicherung zuteil, gegen die sich nur derjenige ablehnend verhalten kann, dem die Kindheitsgeschichte unserer Kultur überhaupt gleichgültig ist.
Als Material zu Nadeln wurden u. A. Kippen benutzt. Virchow spricht in einem Bericht über Laibacher Moorfunde von „zierlichen Nähnadeln aus Hirschrippen“. Und in einem ostpreussischen Pfahlbau — nämlich im Szonstag-See — (einem Pfahlbau, dessen Zeitstellung keineswegs mit jener der bekannten Kulturstätten der Schweiz zusammentrittt) fand Prof. Heydeck eine Nadel, „welche offenbar aus einer Fischgräte hergestellt ist“.
Eine neue Welt that sich auf, als man anfing, Metalle zu bearbeiten. Da liess auch die bronzene Nähnadel nicht auf sich warten.
In dem grossartigen Werke von A. Voss und G. Stimming „Vorgeschichtliche Altertümer aus der Mark Brandenburg“ heisst es S. 9: „Wann zuerst die Bronzen nach dem Norden gelangt sind, ist bis jetzt nicht zu bestimmen. Dass sie sich dem Alter nach unmittelbar an die