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10 Bericht über die Versammlung im Bürgersaale des Rathauses.
schale gelb oder mit Rotholz rot gefärbt werden, passt in die Symbolik, denn gelb oder rot wird der unsere Erde beleuchtende himmlische Feuerball dargestellt.
Eine reizvolle Variante der Bemalung des Ostereis, von der die heut ausgestellten Originale des Märkischen Museums eine Probe geben, findet sich bei den Sorben - Wenden erhalten. Wir verdanken die stilvollen, ächt nationalen Muster wie die nachfolgenden Erläuterungen dem hochverdienten und unermüdlichen Erforscher der Wendei, Willibald von Schulenburg,*) unserm geschätzten Mitgliede.
Die wendischen Bursche und Mädel tragen mit grosser Sicherheit
mi t tels Stecknadelknöpfe das Muster der Zeichnung in flüssigem Wachs auf das rohe Ei. Alsdann wird der Farbestoff in Wasser aufgekocht, ln dieses, abgekühlt, werden die Eier hineingethan und gekocht, bis das Wachs abfliesst und das Muster bleibt. Rot wird mit Cochenille, gelb mit Zipollenschale, blau mit Farbholz, schwarz mit Erlenschischken (Kätzchen von Alnus glutinosa) gefärbt. Neuerdings werden Eier auch mit Saftgrün bemalt. Vollendet künstlerische Darstellungen, so die Erscheinung des Engels, welcher den Hirten die frohe Botschaft verkündigt, hat der vor einigen Jahren in Schleife, Kreis Rothenburg, Ober-Lausitz, verstorbene Prediger Welan erfunden.
Die Ostereier, wendisch jastrowne jajka, müssen am ersten Osterfeiertag gekocht sein, dann wird das Ei nicht stinkig. Von den Paten holen sich die Kinder die „bunten Eier“, pisane jajka, den Pfefferkuchen, paprenc, und die Ostersemmel, jastrowna calta; letztere ist länglich rautenförmig mit eingedrückten Verzierungen, daher man von einem krummbeinigen („klumpatschigen“) Jungen sagt: der Junge hat Beine wie eine Ostersemmel. Daran anklingend nennt man auch in Berlin schiefe Beine „Semmelbeine“.**)
Die Mädchen, welche in der Nieder-Wendei die noch üblichen Osterlieder singen, geben jede zwei Ostereier an die Jungen, die im Jahr die vierseitige Bank für die Sängerinnen im Stande halten und ausbessern. I n den Osterfeiertagen wird mit Eiern „gewaleet“, walkowac, auch
*) Vgl. sein, allen Freunden „Wendischen Volkstums“ bestens hiermit empfohlenes Buch gleichen Namens. Berlin 1889, Verlag von R. Stricker, besonders über die Ostereier S. 142, 144 und 148. Die bekannte Berliner Firma Franz Schulz hat diese wendischen Ostereier-Muster nach den Vorbildern des Märk. Museums auf Zucker- Ostereiern angebracht.
**) Nicht zu verwechseln mit „Schemelbeine“, „Säbelbeine“, ebenfalls Epitheta ornantia für die Krümmung des Unterschenkels, die bei uns gebraucht werden. — Die Ostersemmel ist von W. v. Schulenburg abgebildet in der Zeitschrift für Ethnologie 1887 S. 133 in seiner Beschreibung des Spreewaldhauses (Beschr. von Osts. S. 143), ferner dargelegt als verwandt mit dem Seelenzopf Zeitschr. f. Etlinol. 1888 Verh. S. 166 und 1893 Verh. S. 279, wo auch der Barches, eines jüdischen weit verbreiteten Gebäcks gedacht wird. Vgl. auch Haupt über die Höllenzöpfe der Christnacht, Haupt, Sagenbuch der Lausitz 1862 I. S. 41 und Grimm, Myth. Berlin I. 1876 S. 384.