Heft 
(1894) 3
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Bericht über die Versammlungen im Bürgersaale des Rathauses.

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100 m liegen. Höhen mit dem Maximum von 222 m sind nun freilich seihst für deutsche Verhältnisse gering, gleichwohl reichen aber auch unsere märkischen Berge bis in jenes Niveau, in welchem alle hygienischen sowohl, wie idealen, ethische Momente des Bergsteigens auf uns ein wirken, Momente, die kein Geringerer als der berühmte Genfer Philosoph des vor. dahrh. J. .1. Rousseau mit zündenden Worten der Welt zuerst ans Herz legte. Heutiges Tages ist indessen, begünstigt durch die bequemen Verkehrsverhält­nisse einerseits und eine reichhaltige Litteratur anderseits, Gefahr vorhanden, dass der moderne Anschluss an die Natur zu sehr ins Grosse geht und mehr oder weniger sogenannte Modesache wird; dabei kommt aber nicht nur die engere Heimat zu kurz, auch jener Blick für die intimeren Reize der Natur, der sich am Kleinen bildet und erst für des Grossen wahren Genuss befähigt, und der doch zumeist das Glück des täglichen Lebens ausmacht, wird nie geweckt und entwickelt werden können.

Desshalb glaube ich diese Gelegenheit zu einigen Worten zu Gunsten unserer noch zu wenig geschätzten Berge benutzen zu müssen, und zwar als Vertreter eines Bundes,*) der es .sich seit nunmehr 10 Jahren mit stets wachsendem Erfolg zur Aufgabe setzt, die lieblichen Reize eines Landes, das zwar von dem Genius der Weltgeschichte dazu er­koren war, dem neuen deutschen Reiche ein neues mächtiges Kaiserhaus zu geben, das aber in landschaftlicher Hinsicht so lauge fälschlich als Stiefkind der Naturg alt, in immer weiteren Kreisen zu Ehren zu bringen.

Was vor Allem für unsere märkischen Höhen spricht, das ist das günstige Verhältnis ihrer sog. relativen Höhe, d. h. ihrer Erhebung über die Umgegend, infolge dessen sie manchen Riesen des Gebirges an Aussichtsfähigkeit (sit venia verbo) übertreffen. Von den meisten unserer Berge bietet sich uns ein Rundbild von malerischem, harmonischem Gesammtcharakter, in dem meilenweit die dunklen Kiefernwälder sich dehnen, liebliche Seeen, von saftigen Wiesen umsäumt, auf blitzen, oder der mit langsam gleitenden Segeln belebte Fluss seine geschlungenen Pfade zieht, und die sinkende Sonne seine Finthen in flüssiges Gold wandelt.

Angesichts eines solchen Landschaftsbildes versinken nicht minder wie im Gebirge die Sorgen und Mühen, die im gewohnten Niveau des Lebens auf uns einstürmen; es ist, um mit Rousseau zu reden, als wenn sie nicht mehr bis zu uns heranreichten, als ob die Seele, je mehr mehr man sich den ätherischen Regionen nähert, etwas von der sich stets gleichbleibenden Reinheit derselben annimmt. Auch die Heftigkeit der Begierden nimmt ab, sie verlieren den scharfen Stachel und lassen im Herzen nur eine leichte, angenehme Erregung zurück. Soweit Rousseau, wobei er freilich die Alpen im Sinne hat; aber, wer mit

*) Des Touristenklub f. d. Mark Brandenburg.

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