Heft 
(1894) 3
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Bericht über die Sitzung im Bürgersaale des Rathauses.

zustellen vermöge. Der Meister aber habe gebeten, ihn nur noch einmal zur Singuhr zu führen und, wie, er oben gewesen, habe er an einer Schraube gedreht, und seitdem brüllten die Leuen nicht mehr.

Hieran ist kein wahres Wort. Der lutherische Magistrat hatte gar nichts mit der kalvinistischen Kirche zu tlmn, er hat sie weder gebaut, noch ist er je ihr Patron gewesen. Die steinernen Löwen haben nie gebrüllt, sie sind lediglich Bildliauerschmuck, ohne jede Verbindung mit dem Glockenspiel. Dies hat einmal wegen Ausbesserungsbedürftigkeit und Mangels an Geld längere Zeit schweigen müssen. Auf diesem Vor­kommnis scheint die ganze Märe aufgebaut zu sein, die übrigens aus viel älterer Zeit und bei mehreren öffentlichen Kunstwerken Deutschlands in verschiedenen Ausgestaltungen vorkommt.

8. Vorsitzender E. Friedel legt hierauf einen merk­würdigen Fund aus einem hiesigen Grundstein vor. Bei dem Abbruche des ehemaligen Mehlmagazins am Iwmgsgraben seitens der beauftragten Unternehmer Gebrüder Schilling wurde am 1. d. M. in einem Mauerpfeiler der mittleren Längswand der Grundstein zu dem ge­nannten Gebäude gefunden. In dem Pfeiler war ein in zwei gleich starke Platten geteilter Sandsteinblock eingefügt. In der Mitte der untersten dieser Platten befand sich ein cylinderischer circa zehn Oenti- meter tiefer Hohlraum, welcher mit einer in den letzteren eingelassenen und mit eisernen Klammern befestigten Sandsteinplatte verschlossen und worüber dann die zweite Hälfte des Blockes gelegt war.

Der Block ist bei den Abbruchsarbeiten zertrümmert und zeigte auch keine besonderen, äusserlieh sichtbaren Merkmale, welche ihn als Grundstein erkenntlich gemacht hätten.

Die bereits erwähnte Höhlung war bei deren Oeffnung mit Wasser gefüllt; ob letzteres schon länger darin gewesen, oder sich erst während des Abbruchs darin angesammelt, liess sich seitens der überwachenden fünften Stadtbau-Inspektion nicht feststellen. In der Höhlung lagen zwei Gegenstände, ein Zweidrittel-Thalerstück, Vorderseite: Der König im Brustharnisch mit der Legende Frid. Wilh. D. G. Rex Boruss. El. Brand, Rückseite: das königliche Wappen 1723. 2/3. Ferner die wohl­erhaltene eigentliche Grundsteinplatte, aus Blei, kreisrund mit circa acht, Zoll Durchmesser, grau angestrichen mit folgender schwarzen Inschrift:

S. D. G.

Fridericus Wilhelmus Primus

Rex Borussiae Magnus Pius Felix Fortis

(Übersetzung:

Gott allein die Ehre! Friedrich Wilhelm der Erste

Preussens grosser König,

fromm, glücklich, tapfer,

Hoc Frumentarium Novum Exstruere Jussit

befahl dies neue Mehlmagazin zu errichten,