Issue 
(1894) 3
Page
40
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

40

Der Storch in der Mark.

Menschheit, in der Tradition unserer Bevölkerung, verdanktder grosse Stelz­vogel gewiss hauptsächlich seiner Zutraulichkeit dein Herrn der Schöpfung gegenüber, in zweiter Linie seiner steten Gegenwart auf der Feldflur nicht minder auch seiner den Lenz ankündigenden Rückehr aus dem Unbe­kannten. Wenn auch Afrika jetzt öfter als sonst genannt wird, bleibt die Frage nach dem woher und wohin des Storches dem Landmann doch immer ein dunkler Punkt, hinsichtlich welches ihm Erläuterungen niemals recht genügen wollen. Vor Allem beruht indess die Popularität des Vogels auf seinem Horsten auf Dächern. Etwas wie Kameradschaft zwischen Mensch und Tier muss dabei im Spiel sein.

Sieht den Storcli schon der Hirt gern, den doch die Sorge für sein auf der Trift grasendes Vieh vorzugsweise in Anspruch nimmt, um wie­viel mehr noch der mühsamerer Beschäftigung obliegende Ackersmann. Der Pflüger schaut sich um in der stillen Einsamkeit brauner Acker- wüste; er befragt unwillkürlich die ihn umgebende Natur. Verwandter Pulsschlag des Lebendigen tritt warm und tröstlich an ihn heran. Nicht jeder zwar erblickt bei der einförmigen Mühe des Furchenziehens gleich jenem alten Etrusker, den Gott Tages in Gestalt eines sinnenden Knaben aus rollender Scholle aufsteigend, nicht Jedem, um an einen näher liegenden Zug der Sage anzuknüpfen, bringen wohlthätige Zwerge ein Töpfchen Buttermilch zur Erquickung oder frisch gebackenen Kuchen, der ohne dass ein Messer ihn anschneide, verspeist werden soll. Wohl kommen dem Bauer oder Knecht der Gedanken mancherlei; aber auch die Gefährten seiner Arbeit sind da, zu zerstreuen und ein wenig zu vergnügen. Freudig sieht solche der Ackersmann sich regen. Um ihn her tanzt das Häschen, das er, nicht jagdberechtigt, mit so viel Schmeichelnamen zu nennen weiss, huscht das Wiesel, ihm dämonischer geblieben, schreiten ernsthaft die Krähe, zierlicher Staar und Bachstelze, den hurtigen Steinschmätzer nicht zu vergessen. Vom Kiebitzpfuhl kommt auch wohl mit klingendem Lockruf der gehäubte M arner herüber und es schaut vom Erdhügel ein Bussard nach Beute aus, es wirbelt von Lerchen in hoher Luft, allein unter allen Erscheinungen des Tierlebens rings umher bleibt immer am wirkungsvollsten die des langsam und gravitätisch eiuherwandelnden, das von der Pflugschaar aufgestörte Ge­tier auflesenden Langbeins. Der liebste Gefährte ist er geworden bei dem sauren Tagewerk unter freiem Himmel.

Nicht Alle wohl haben sie ein Auge für solche Regungen der Natur, aber wortlos, fast stumpf erscheinend, öffnet der einfachere Mensch doch, öfter als man glaubt, seine Seele pantheistischen Einflüsterungen. Geschieht dies noch jetzt, um wie viel lauter muss es in der Vorzeit zu damals empfänglicheren Gemütern gesprochen haben.

Zwar hat unser Bauer den Storch nicht vermöge so vielfacher Redewendungen in seinen Sprachschatz aufgenommen, wie den Hasen,