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Per Storch in der Mark.
zwei folgenden Frühlingen erschienen sie wieder und kreisten lange über ihrem ehemaligen Heim, ohne sieh jedoch in demselben wieder häuslich niederzulassen. Bald daraut verschwand auch das Nest. Gewährsmann für diesen Fall ist mein jetzt verstorbener Freund und Schulkamerad Günther, dessen Garten in der Lindenstrasse hinten an den des genannten Hauses am Belleallianceplatz stiess, und der die eben erwähnten Thatsachen in Person beobachten konnte.
Erwähnt seien ferner ganz beiläufig jene Störche, die vor etwa 25 Jahren auf den Gebäuden des Vorstädtischen Theaters vor dem Rosenthaler Thor nistend, durch Vermittlung eines Rauchfangs statt der weissen eine aschgraue Färbung angenommen hatten und demgemäss von einigen Bewohnern der Stadt der Intelligenz für eine besondere Spezies angesehen worden sind. Ähnliche Einräucherungen sollen in gewissen Städten Schleswigs nichts Seltenes sein. In unserer nördlichen Vorstadt, dem sogenannten Voigtland, mag ein oder das andere Storchnest sogar den Beginn der siebziger Jahre erlebt haben. Von alledem natürlich längst keine Spur mehr.
Selbst als Berlin schon fast alle seine Storchnester eingehüsst hatte, standen auf den umliegenden Dörfern deren noch so viele, dass niemand daran gedacht haben würde, sie zu zählen und zu registrieren. Heutzutage wo die Statistik, diese grosse To pfkiek erin, ihr Auge auf Alles wirft, wäre dies weit leichter. Sogar das hoch und trocken gelegene Schöneberg, allerdings der Nachbarschaft einiger Fenne nicht entbehrend, hatte davon eine gewisse Zahl. In den nahen Dörfern längs der Frankfurter Chaussee habe ich als Knabe manchmal zwei Nester des freundlichen Gastes auf einer Scheune stehen sehen. Im Havelland gruppirten sich ihrer vielleicht noch mehr auf demselben Dache. Von einstmaliger ausserordentlicher Häufigkeit des Storches im Oderbruch erzählt der Chronist Bekmann: in Dorf Letschin trage jedes Haus drei bis vier Storchnester.
Im Allgemeinen hat der Storch bei uns, solange ich denken kann, immer Dächern den Vorzug vor Bäumen gegeben. Um für ihn bewohnbar zu werden, dürfen letztere keine unversehrten Kronen haben, vielmehr abgestorbene oder gestutzte Wipfel darbieten.
So waren in Charlotten bürg, wo ich drei Jahre meiner Kindheit, vom siebenten bis zum zehnten verlebt habe, früher allein Dachnester. Später kamen zu demselben Behuf zwei oder drei Linden der Berliner Strasse an die Reihe, die zuletzt, nach Ablauf längerer Frist, zu einer einzigen derartigen Niststätte auf einem Baumgipfel, Nordseite der Strasse, zusammengeschrumpft waren. Noch ein anderes Baumstorclmest befand sich auf einer absterbenden, oben gekreppten hohen Pyramidenpappel vor dem Eingang des Schlossgartens. Letztere war künstlich zum Empfang eines solchen hergerichtet worden und hatte dessenungeachtet längere Zeit leer gestanden. Baum wie Nest sind nun verschwunden.