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Der Storch in der Mark,
In Mecklenburg ist der gleiche Ausdruck, leicht in „Aderbor“ verändert, üblich. Wer erinnert sich nicht des Sprichworts: Wo Poggen
sind, finnen sich ok Adebors?
Wozu irrten gelehrte Männer, dürften Spass und Humor an ihren seltsamen Einfällen oder gar Absurditäten nicht ein schadenfrohes Vergnügen finden? So hören sie denn, dass ein Faunist. unserer Mark und Oberlehrer einer Berliner Realschule, Hr. Schulz, nicht ohne Anflug von Naivität, wirklich das Urwort Adebar als gleichbedeutend mit Abschiedsvogel (Ade- oder Adieuvogel), weil Störche fortziehen, interpretiren konnte, eine Vokabel von der ein Grimm bescheidentlieh bekennt, sie widerstrebe noch den Deutungen. Nicht minder thut wohl dasselbe ein in der Altmark hin und wieder gebrauchtes Storchsynonym: Heinotter oder Hannotter.
Märkischen Ibis habe ich den Storch genannt und ich halte diesen Titel aufrecht. Wenn auch keine Gottheit wie der Nilanwohner, hat doch auch unser geflügelter Hausnachbar als Gottesvogel lange genug den Rang eines guten Genius eingenommen. Geht er jetzt solchen Ehrennamens mehr und mehr verlustig, verstösst man ihn von Dach und Schwelle, so sind wir nicht ganz sicher davor, dass er nicht einst einmal seine Revanche nehmen werde.
Ein Seherblick in zum Glück unendlich ferne Zukunft, sei zum Schluss vergönnt. Die Geschichte hat ihre Lehren, die sich manchmal in pittoreske Form kleiden können. Nichts ist von keltischer und alt- römischer Kultur Helvetiens an Bauwerken übrig geblieben als die einzige verwittert ragende Marmorsäule von Aventicum, dem heutigen Avranches.
By a lone wall a lonier column rears A gray and grief-worn aspect of old days.
(Byron.)
Angesichts der grossen Seen und ferner, schneeschimmernder Alpen, hat dies ehrwürdige Alterthum Menschenalter durch ein Storchnest auf seiner Höhe getragen. Wer bürgt, uns dafür, dass unsere städtischen Spreeufer, dem Flüsterton von Rohr und Binse zurückgegeben, nicht einmal Ähnliches schauen werden? Kann die Fluth der Civilisation nicht zurückebben von Thurm und Palast und über den Trümmern einer grossen Stadt nicht die alte Wildniss wieder in ihre Rechte treten? Wer weiss das? Nach Ablauf von Jahrtausenden mag der Storch hier wieder der Waldvogel geworden sein, der er einst gewesen und in menschenleerer Öde aufs Neue an Zahl wachsen. Ruinen genug wird es für seines Gleichen dann geben damit nicht alle ihren Horst auf Eiclienkronen zu stellen brauchen. Wer vermag zu sagen — denn Menschenwerk vergeht und nur die Natur ist ewig — ob nicht auch für jene Säulen Berlins, von denen herab soviel Goldglanz und Bronzepatina unserem Auge