Heft 
(1894) 3
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Märkische Ortsnamen.

Als die germanischen Semnonen ungefähr im 5. Jahrhundert unsere Heimat, die Mark Brandenburg, verliessen, um sich dem gewaltigen nach Westen und Süden gerichteten Völkerstrome anzuschliessen, bemäch­tigten sich die Slaven des Landes, das sie dann 67 Jahrhunderte in Besitz behielten. Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn von Namen aus der vorslavischen Zeit keine oder nur sehr geringe Beste auf uns gekommen sind; dass von den Kelten ganz zu schweigen ist, wird von den neuesten Forschern auf unserm Gebiete allgemein an­genommen. Früher suchte man freilich alles Dunkle durch die keltische Sprache zu erklären nach dem Motto:

Was man nicht gleich erklären kann,

Das sehe man als keltisch an.

Glücklicherweise hat man sich von diesem Standpunkte losgesagt und sucht nicht mehr nach Deutungen aus dem Keltischen.

Erst durch die Slaven wurde also unsere Mark planvoller besiedelt, erst durch ihren zur Geselligkeit besonders geneigten Sinn wuchsen Hunderte von Ortschaften empor, die noch heute Zeugnis ablegen von der verhältnismässig hohen Kulturstufe, auf der sie sich in der ersten Hälfte des Mittelalters befanden. Mit klarem geographischen Blicke legten sie ihre Siedlungen dort an, wo ein dauerndes Fortbestehen durch die natürliche Lage und die Fruchtbarkeit des Ortes gewährleistet wurde. Im Gegensatz zu den Germanen wohnten sie eng zusammen in Städten oder Ortschaften, die mit Wällen und Gräben umgeben waren und ihre Heiligtümer einschlossen; zum Schutze des Landes hatten sie an einzelnen Punkten Burgen errichtet, und dank ihrer Geschicklichkeit und Emsig­keit verstanden sie es, in vorzüglicher Weise wollene Stoffe zu verfertigen und Metalle zu Waffen, Geräten und Schmuckgegenständen zu bearbeiten, deshalb blühte bald ein ausgedehnter Handel auf, der mit den ver­schiedensten Gewerben Hand in Hand ging. Ungestört lebten so die Slaven auf den märkischen Fluren, warfen den Acker mit ihrem Haken­pfluge um, trieben Viehzucht und brauten sich Meth aus dem Honig, den die Bienen ihnen aus Wiesen und Wäldern mühelos zusammentrugen. Da begann seit dem achten, besonders aber im zehnten Jahrhundert das Zurückfluten der deutschen Stämme. Die Slaven, die westwärts sogar bis über die Elbe vorgedrungen, wurden seit Karl dem Grossen von den Deutschen unterworfen, gerieten in Abhängigkeit von der fränkischen Herrschaft und sahen sich gezwungen, nach blutigen und grausamen Kriegen das Christentum anzunehmen und das Land bis zur Oder dem Sieger zu überlassen. Zugleich mit der Gründung der Bistümer Havel-

*) XIII. Jahresbericht des Altmärk. Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie. Salzwedel 1863. S. 82.