Heft 
(1894) 3
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Kleine Mitteilungen.

Mark verbreitet sei. Auch der Ostpreusse fahre ja mit Vorliebeim zunem Wagen, auch er sage "ja Kuchen, wenn ihn jemandpiesacken* wolle. Den Gebrauch des j für g eine jute jebratene Jans u. s. w. und des scht für st und ts Durscht, Wurscht, nischt glaubt Herr Dr. Kretschmer auf den Einfluss rheinländischer Kolonisten zurückführen zu müssen. Das dat,det unddes für das, das p für pf und das t für tz im Inlaut Karpe, Schnuppen, Schnuteken, Spruten (Sprossen des Grünkohls) komme auch in anderen niederdeutschen Mundarten vor. Charakteristischer für den Berliner Dialekt sei dagegen der Ersatz der Diphtonge durch Vokale, be­sonders der Gebrauch des ei. Stamme das ei aus dem Althochdeutschen, so verwandele der Berliner Dialekt es in ee, stamme es aber aus dem nieder­deutschen i, so mache der Berliner wieder ei daraus. Also: Eeens, zwee - aber drei, niederdeutsch tri. Dieses Zurückübersetzen von niederdeutschen Elementen in hochdeutsche sei auch sonst bezeichnend für die Berliner Mundart. Eine sehr charakteristische Form hierfür sei z. B.Mausike. Das Musik klinge dem Berliner zu platt, deshalb stelle er den Diphtong au, den er hier analog mit Haus, plattdeutsch Hus vermute, wieder her und sage vor­nehm: Mausike. Zum Schluss erwähnte Herr Dr. Kretschmer noch das r, das dem Berliner grosse Schwierigkeiten bereite, für das sich aber bestimmte Regeln schwerlich finden lassen dürften. Die hierauf folgende sehr aus­gedehnte Diskussion, an der sich unter andern auch die Herren Gymnasial­direktor Schwartz und Sanitätsrat Bartels beteiligten, brachte noch ver­schiedene Ergänzungen zu dem Vortrage. So über den Gebrauch desmir undmich, dessen Fehlerhaftigkeit darauf zurückzuführen sein soll, dass die Niederdeutschen, welche Hochdeutsch lernen, sich zuerst nur eine Form einprägen und diese dann immer anwenden. In manchen Gegenden gebrauche man fast ausschliesslichmich, in Berlin hauptsächlichmir. Schon in den deutschen Briefen Friedrichs des Grossen zeige sich eine grosse Vorliebe für die Formmir. Es sei darin überhaupt nur zweimalmich gebraucht, während man dasmir nahezu zweihundert Mal angewendet finde. Herr Direktor Schwartz weist noch darauf hin, dass wohl nicht die Kolonisation allein die deutschen Elemente in die märkische Volkssprache hineingetragen habe, dass vielmehr, wie an kürzlich aufgefundenen Denkmälern aus heidnisch­germanischer Zeit zu erkennen sei, neben der slavischen auch eine, allerdings jahrhundertelang unterdrückte, deutsche Urbevölkerung in der Mark gehaust habe, in deren Sprache wohl der märkische Volksdialekt wurzele. Mit der sehr treffenden Bemerkung des Herrn Sanitätsrats Bartels, dass der heutige Berliner Dialekt überhaupt nicht mehr echt, sondern durch zahlreiche Ein­wanderer aus allen deutschen Gauen immer mehr und mehr verfälscht sei, schloss die Diskussion.

Du undSie in Berlin In Berlin, aber auch überall da, wo die deutsche Zunge klingt, gebrauchen erwachsene Personen, sofern sie nicht in einem näheren verwandtschaftlichen Grade stehen, gegenseitig die Anrede Sie. Diese Regel zeigt aber in unserer Stadt mannigfache, durch langen Gebrauch befestigte Ausnahmen, die wiederum den seltsamsten Schwankungen unterworfen sind.