114
Kleine Mitteilungen.
welche sich ältere Personen selbst in Gesellschaft zu tragen erlaubten*), seit der Katastrophe von 1806, namentlich seit den Freiheitskriegen von 1813 bis 1815 immer mehr in Berlin. In der „Luise“, welche 1705 erschien und ihre vollendete Gestalt etwa 1807 erreichte, sagt der ehrwürdige Pfarrer von Grünau noch nach alter Sitte zu seinem Schwiegersohn:
„Hört Er, mein Sohn, wie sie waltet die Herrscherin?“
Schon in den zwanziger Jahren war die Anrede mit „Er“ eine unhöfliche. Auf dem Lande hat sie sich bei uns bis zur Bewegung von 1818 erhalten. Damals konnte man sagen hören: „Dat He-Seggen un Fuchteln hett uphürt!“ (Das Er-Sagen und Prügeln hat aufgehört.) Nach Mitteilung von Frl. El. Lemke wird in Ostpreussen auf den Gütern hier und da noch jetzt mit „Er“ angeredet.
Recht seltsam mutet uns die Anrede mit „Wir“ an, deren sich ältere Leute bedienten, welche dem „Er“ und „Ihr“ zwar entsagt hatten, sich aber nicht entschliessen konnten, das landesübliche „Sie“ zu gebrauchen, und deshalb die seltsame Wendung „Wir“ (eigentlich wohl für „Ihr“) anwendeten. Ich entsinne mich aus meiner frühen Kindheit her, dass der alte General- Lieutenant von Selasinski etwa im Jahre 1849 in einer Berliner Gesellschaft zu meinem Vater herablassend fragend sagte: „Wer sind wir?“ Mein Vater, den diese etwas primitive Manier verdross, antwortete schlagfertig: „Wir sind der General von Selasinski, Excellenz!“ Der alte Kriegsmann lenkte hierauf sofort ein, indem er in höflichstem Tone fragte: „Mit Wem habe ich die Ehre ?“ — Die Anrede mit „Ihr" an eine einzelne Person galt für etwas höflicher als „Er“ und wird in der Mark Brandenburg noch jetzt häufig auf dem Lande angewendet. E. Friedel.
Dr. Wilhelm Hammer. Ortsnamen der Provinz Brandenburg, I. Teil. (Berlin, Gärtner’s Verlagsbuchhandlung, 1894. 4° 32 S.) Besprochen von Dr. A. Kirchhoff, Prof. der Erdkunde zu Halle a. S. Als wissenschaftliche Beilage zum diesjährigen Osterprogramm der Neunten Städtischen Realschule zu Berlin erschienen, behandelt diese sehr fleissig durchgeführte Arbeit die Ortsnamen der Kreise Teltow, Nieder- und Ober-Barnim.
Für jeden dieser drei Kreise werden die Ortsnamen in alphabetischer Reihenfolge vorgeführt und zwar mit genauer Angabe aller ihrer vormaligen Formen, soweit man derselben urkundlich habhaft werden konnte; darauf
*) In Voss' „Luise“, die eine wahre Fundgrube für Sitten und Gebrauche um die Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts ist, wird der Pfarrer und Hochzeitsvater zur Hochzeit mit Schlafmütze und Schlafrock von seiner Hausehre geschmückt:
„Jetzt fand sie die Mütz', urahnlicher Feierlichkeit voll,
Welche zuerst ihn geschmückt als Bräutigam, ländlich und sittlich,
Aber seitdem alljährlich am heiteren Tage der Hochzeit:
Die nun reichte sie dar und lächelte. Dann im Gewandschrank Nahm sie den Festschlafrock von stahlblauwollenem Damast;
Ueber die Lehn' ihn breitend des Armstuhls, sagte sie also:
Wie wird unsere Braut und der Bräutigam schau'n mit Verwundrung,
Wann hochzeitlich geschmückt das behagliche Väterchen dasteht!“ — Schon vorher beim Gastmahl erscheint der Pfarrer im Schlafrock.