Heft 
(1894) 3
Seite
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Kleine Mitteilungen.

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ist quarzitischen Ursprungs und in seinem Alter dem Braunkohlen-Tertiär nahestehend. Hiermit stimmt es, wenn ich auf Sylt, namentlich nahe dem an der Westküste belegenen Roten Kliff derartige, zum Teil aus reinem milchigen Quarz bestehende Facettensteine gefunden habe, welche in nächster Beziehung zu dem auf jener Insel zu Tage tretenden Miocan stehen. Die Berendtsche Bezeichnung Dreikanter ist unzweckmässig, weil irreführend, denn die Windschliffsteine, wie ich sie in der dynamischen Geologie allgemein zu benennen vorschlage, kommen auch als Vierkanter, Fünfkanter u. s. f. bis als ungezählte Vielkanter vor.*) Oft sind durch den Flugsand und Wind keine Kanten geschliffen, sondern taschenförmige Aushöhlung durch ihn ausgeblasen, nicht selten sind diese Geschiebe drehrund, vom Winde allmälig gewälzt und vom Sand dabei zugeschliffen worden, sie haben dann oft zigarrenförmige oder gurkenförmige Gestalt und werden von den Leuten im zauch-belziger Kreise geradezu Gurkensteine genannt. Sie werden zu wirtschaftlichen Zwecken, zum Mangeln und Reiben, zum Beschweren des Sauerkohls und der eingemachten Gurken und in ähnlicher Weise von jeher gebraucht. Weil man sie auch auf vorgeschichtlichen Brandgräberfeldern und Wohnstätten**) gefunden hat, sind sie seit reichlich 200 Jahren im Besitz von Altertumssammlern und werden von diesen oft mit Hartnäckigkeit für Kunsterzeugnisse gehalten. So liessen sich die gebildeten Erben eines vor etwa 15 Jahren in Brandenburg a. H. verstorbenen Architekten, der auf seinen Dienstreisen eine Menge zum Teil bis 10 kg schwere Gurken- und Cigarren­steine zusammengebracht hatte, nicht ausreden, dass dies wertvolle vor­geschichtliche Altertümer seien und forderten dementsprechende Preise dafür, die ihnen selbstredend nicht zugestanden werden konnten.

Die richtige Würdigung und Erkenntnis dieser Windschliffsteine ist nicht allein bei den Altertümlern, sondern auch bei manchen geologischen Sammlern, weil fast nur die auffälligen, markanten Kanter aus hartem Sand­stein oder Quarzit in den Verkehr kommen, noch immer eine bedauerlich geringe. Der Wind schleift jeden Stein mit Hülfe von Sand ab, nur fällt der Schliff je nach der mechanischen, mineralogischen und chemischen Zu­sammensetzung des Steins und des schleifenden Sandes verschieden aus. Granite, Gneisse, Diorite, Gabbro u. s. f. werden ebenfalls heftig in Angriff genommen, die harten Quarzteilchen, Feldspathkrystalle, Granaten u. s. f., z. B. im Granit, widerstehen aber viel länger als die weichen Teile und so bekommen dergleichen Geschiebe und Felsen ein seltsam ausgefressenes Ansehen, was man gewöhnlich auf Rechnung der Auswitterung schreibt, während man bei genauerer Betrachtung den eigentümlichen Schliff des Sandgebläscs gleichmässig über die stehengebliebenen Hervorragungen ver­breitet findet.

Die Sammler meinen auch nicht selten, dass diese Windschliffsteine eine Eigentümlichkeit gewisserSchichten des Diluviums seien und bringen

*) Vergl. die von sehr verschiedenen Fundorten herrührenden zahlreichen Belagstücke im Märkischen Provinzial-Museum.

**) Insbesondere in den um das 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. zu datirenden ostgermanischen Brandgräberfeldern.