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Kleine Mitteilungen.
sie gern, in Anlehnung an die Nehring’sche Steppenperiode, mit urzeitlichen Wüstenformationen in Verbindung. Die Windschliffe werden aber, wie mich wiederholte Beobachtungen in den Dünen von Sylt und an den nordafrikanischen Küsten belehrt haben, noch jetzt an geeigneten Stellen überall erzeugt. Jedes unserer grossen Exerzierfelder, die aus steinreichem Sand bestehen, z. B. in der Umgebung Berlins, Charlottenburgs und Spandaus, zeigen, wie der Flugsand noch jetzt die Steine bereibt und schleift. Die eigentümliche, blanke Glätte und wachsartige Politur vieler der zu Hunderttausenden herumliegenden Feuersteine ist nicht in den Diluvialströmen erzeugt (das Wasser schleift matt, aber nicht blank), sondern durch den Sandflug. Ja ein grosser Teil des feinen, staubartigen Sandes auf diesen Flächen ist erst in alluvialer Zeit entstanden und als das durch die Windkraft erzeugte Abreibsel anzusprechen. Die frei herumllegenden Diluvialgeschiebe und Diluvialgerölle werden solchergestalt an dergleichen geeigneten Örtlichkeiten beständig verkleinert und schliesslich geradezu aufgerieben. Die Wichtigkeit dieses Faktors bei der Bildung unserer neueren Erdschichten scheint mir bisher noch nicht hinlänglich gewürdigt zu sein.*)
Der Direktor Geheimer Hofrat Professor Dr. Geinitz bemerkt bei diesen Windschliffsteinen, dass sie dem Urmenschen als Vorbilder für seine Werkzeuge und Waffen gedient haben könnten, eine Unterstellung, die insofern nicht abzuweisen ist, als in der That manche der z. B. im Somme- und Seine-Kies, in England und Belgien gefundenen palaeolithischen Feuer- steingerüte mit gewissen zungenförmigen und keilspitzigen Windschliffsteinen Ähnlichkeit besitzen. Diese Steinbildungen würde der Urmensch zuerst benutzt, denn nachgeahmt und verbessert haben.
2. Die Urnenfelder unserer Niederlausitz si nd im Prähistorischen Museum und zwar bereits in der den Kern desselben bildenden Preusker- schen Sammlung vertreten, die bekannten ostgermanischen Brandgräber- typen, die sich durch Formenreichtum und kunstgefällige, sichere Herstellung von Urnen und Beigefässen auszeichnen. Zum Teil mögen sie dem Boden schon enthoben worden sein, als diese Landesteile noch kursächsisch waren.
3. Von der Prähistorie zur Anthropologie überspringend, möchte ich in Anlehnung an meinen Vortrag über das von unserem Mitglied, Bildhauer Schütz, gefertigte, auf der Weltausstellung zu Chicago ausgestellt gewesene Modell eines Normalmenschen und über Albrecht Dürers Bestrebungen zur Herstellung eines Kanons der menschlichen Figur (vergl. Jahrgang I des Monatsblatts, S. 186) darauf hinweisen, dass sich in der im Japanischen Palais aufgestellten Königlichen öffentlichen Bibliothek Albrecht Dürer’s eigenhändige Handschrift seiner Abhandlung von den Proportionen des menschlichen Körpers aus dem Jahre 1523 mit vielen Federzeichnungen des unsterblichen gelehrten Künstlers befindet.
4. Ungefähr derselben Zeit gehört ein Bild der Königlichen Gemälde- Galerie an, von der Meisterhand Lukas Cranach des Älteren (geb. 1472,
*) Auch die frei herumliegenden Steinaltertümer, Beile, Äxte, Hacken, Schaber, Pfeilspitzen etc. leiden selbstverständlich unter dem Sandflug; ich habe welche gefunden, die durch den Windschliff geradezu deformiert waren.