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Aus der Urzeit der Küche.
Bei Australiern ist es etwas ganz Gewöhnliches, Menschenschädel zu Wassergefässen zu benutzen; man bevorzugt die Schädel der nächsten Angehörigen, z. B. der Eltern*).
Obgleich noch viele Einzelheiten zu erörtern wären, — z. B. das in der Vorzeit so allgemein beliebte Aufschlagen der Knochen zur Gewinnung des Markes — wollen wir doch nunmehr zu den Pfahlbauten der Schweiz übergehen, deren Erforschung einen so gewaltigen Fortschritt für die prähistorische Wissenschaft bedeutet.
„Es war im Winter 1853—54, als der Wasserstand des Zürcher Sees so gering war, dass man eine Anzahl tief im Bett des Sees eingetriebener Pfähle entdeckte, zwischen ihnen aber auf dem Grund eine grosse Menge von Hämmern, polierten Äxten und anderen Steinwerk- zeugen fand. Angebrannte Holzbohlen, sowie Nahrungsmittel, Gewebe u. s. w. deuteten auf Wohnstätten, die durch Feuer zu Grunde gegangen. — Dieses sind die berühmten Pfahlbauten der Schweizer Seeen, welche mit den Funden im Torfmoor und in den Küchenabfällen an der dänischen Küste den Menschen in eine nicht geahnte, nicht zu berechnende Zeit zurückführen.“**)
Welche Empfindungen vermag der Anblick oder die verbürgte Kunde solch umfassender Zeugnisse für das Leben und Treiben einer fernen, fernen Vorzeit zu erwecken! Wie steigt das Bild jener Vergangenheit, der Kindheit unserer Kultur, so lebendig empor! Wir mögen nicht rasten, bis wir alles durchforscht haben, was uns dieses Bild näher bringt — bis in die kleinsten Züge, bis in scheinbare Nebensächlichkeiten.
Ob als solche Nebensächlichkeit die Küche oder Speisekammer zu betrachten wäre!? — Ich glaube, die anwesenden Damen werden ausnahmslos „nein“ sagen; und die Herren? — Nun, auch jene, denen vor Gelehrsamkeit oder sonst etwas Hören und Sehen vergeht, wissen, dass Essen und Trinken Leib und Seel’ zusammenhält; und wenn auch nicht jeder das „Selber essen macht fett“ zum Motto erwählt hat, — über Recht und Pflicht bei der Ernährung kann doch nur in Bezug auf Menge und Art gestritten werden.
Lieferten uns die Höhlen besonders reiche Funde an Knochenresten, so erschliessen uns die Pfahlbauten die Kenntnis ausgedehnter Landwirtschaft, indem ausserordentlich viel Getreide u. s. w. — nach unabsehbar langer Pause — wieder ans Tageslicht dort gebracht wird.
Als Beispiel für den Gesamtcharakter führe ich den Pfahlbau von Robenhausen***) an, welcher nach jeder Richtung unsere Wissbegierde in Bezug auf Speisevorräte befriedigt. Knochen und Sämereien, auch ge-
*) Verh. d. Berl. Ges. f. A., E. u. U., 1877, S. 131.
**) Verh. d. Berl. Ges. f. A., E. u. U., 1882, S. 67.
***) Verh. d. Berl. Ges. f. A., E. u. U., 1883, S. 233.