Heft 
(1894) 3
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Aus der Urzeit der Küche.

die reife Frucht-, nachdem sie sich abgelöst und auf den schlammigen Boden gesenkt hat, hier an kleinen Pflanzenteilen zu verankern. Daher vermag der herauswachsende Keimling nicht, die Frucht emporzuheben, und die Wurzeln der Wassernuss bleiben auch noch später im Boden festgewachsen. Der Kern der Frucht ist mehlig und geniessbar. In Gegenden, wo die Wassernuss heute noch häufig vorkommt, wie z. B. in Oberschlesien, werden von der behutsam umgewendeten Blattrosette die Früchte abgepflückt und dann in Wagenladungen auf den Markt gebracht: z. B. nach Rybnik, Gleiwitz und auch nach Breslau. Man bricht die Früchte wie Kartoffeln und spaltet dann die Schale auseinander, um den Kern herauszunehmen. Derselbe hat etwa den Geschmack von Maronen. Andrerseits trocknet man die Frucht auch an der Sonne oder auf einem luftigen Boden so lange, bis der Kern klappert; nachher wird derselbe gröblich gestossen, gemahlen und gesiebt, wodurch man das feinste weisse Mehl erhält, das zu Suppen, Brei-und Backwerk verwandt werden kann.*)

Übrigens behauptete Schaaffhausen: wenn wir jetzt das gemein­schaftliche Essen die Mahlzeit nennen, so stamme dieser Ausdruck aus jener Zeit, da jeder um zu essen sich die Körner selbst auf einem Stein mahlen musste, sich einen Brei zu bereiten.**)

Ich musste, wie es in der Natur der Sache liegt, ein mehr allgemeines Bild urzeitlicher Küchenzustände geben; doch man wird sich die be­sonderen Verhältnisse in der jetzigen Mark Brandenburg kaum anders vorstellen können. Auf das gierige Verzehren von rohem Fleisch, Blut und Mark wird auch hier der Prozess des Kochens und Bratens gefolgt sein, falls nicht die ersten Märker bereits über so zu sagen höhere Bildung verfügten. Und die Verwendung von Früchten u. s. w. wird sich abgesehen von fremden Einflüssen allmählich durch die bittere Not oder gelegentliche Entdeckungen ausgebildet haben. Nach und nach sind benutzbare Stoffe und deren Zurichtung immer mannigfaltiger ge­worden.Viel und gut wird allemal die Losung gewesen sein.

In Kleinrussland wird noch jetzt am Abend vor Neujahr derselbe Brauch vollzogen, den Saxo Grammaticus bei den baltischen Slaven beobachtet und beschrieben hat. Der Wirt setzt sich an den Tisch, der mit allerlei Kuchen bestellt ist; und nach der gewöhnlichen Bemerkung der Anwesenden: dass man den Wirt hinter den Kuchen nicht sieht, ant­wortet er:Helfe Gott, dass man mich künftiges Jahr nicht sehe! d. h. dass auch im künftigen Jahre ein solcher Überfluss an allerlei Essen sei.***)

Nach diesem Rezept, geehrte Anwesende, möge auch Ihre gesammte Wohlfahrt eingerichtet sein!

*) H. Conwentz, Westpr. Prov.-Mus., Bericht d. 1. Okt. 1802.

**) C.-Bl. d. d. Ges. f. A., E. u. U., 1888, S. 73.

***) C.-Bl. d. d. Ges. f. A., E. u. U., 1885, S. 153.