Heft 
(1894) 3
Seite
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Veneta.

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Man spricht von der fast tausend Jahr, Will heut noch davon erzählen.

Es muss doch etwas daran sein wahr;

Nicht leicht darfs Sage verhehlen.

Wohl wars ein heisser Sommertag.

Zwei Kinder, müde vom Spielen,

Die wollten in dem klaren Bach Gern ihre Gliedmassen kühlen.

Sie plätschern, wo die Bachstelz huscht, Und warfen sich mit Seerosen.

Zwei Hemdchen lagen grün umbuscht Am Ufer und ein Paar Hosen.

Da, nah und näher Ruderschlag.

Es kommen Männer im Boote.

Nicht schauen die Kleinen sich um danach, Trotzdem Gefahr ihnen drohte.

Was mussten beide so hübsch auch sein! Sie waren zu appetitlich.

Zu spät begannen sie zu schrein;

Man fasste sie an nicht sehr gütlich.

Gegriffen wurden sie ganz nackt,

Die Maid sowohl wie der Junge.

In Säcke hat man sie eingepackt,

Fort ging es sodann im Sprunge.

Die Mutter fuhr schnell hinterdrein.

Die Räuber wollt sie einholen;

Doch hätt sie die nimmer gefunden allein, Weil schlau sie sich fortgestohlen.

Gesessen hatte dicht im Laub Ein Knabe, der ausnahm Nester Von Elstern. Dieser sah den Raub,

Als hoch am Baum sich hielt fest er.

Verraten hat er ihn dem Weib.

So konnte der Spur sie folgen;

Hat abgejagt ihrer Kindlein Leib Herzhaft den böswillgen Strolchen.

Sie hat geküsst sie und geherzt,

Ist froh nach Hause gegangen.

Den Räubern haben noch lange geschmerzt Die Schläge von ihr empfangen.