Heft 
(1894) 3
Seite
267
Einzelbild herunterladen

Kleine Mitteilungen.

267

Ibykus hat. Das Motiv dazu hat unserm Schiller*) eine gelegentliche Erzählung Plutarchs in seiner Schrift über die Geschwätzigkeit dar­geboten. Indem Schillers Lieblingsschriftsteller Beispiele von Frevlern an­führt, die durch unvorsichtiges Geschwätz sich selbst verrieten, sagt er u. a.: Die, welche den Ibykos gemordet, wurden sie nicht auf dieselbe Weise ertappt? Da sie im Theater sassen und Kraniche herzukamen, so flüsterten sie einander lachend zu: Da sind die Rächer des Ibykos! Die daneben Sitzenden hörten es, und, da schon lange Zeit Ibykos verschwunden war und gesucht wurde, so wurden sie aufmerksam auf die Worte und meldeten sie der Obrigkeit. So überführt, wurden jene hingerichtet, nicht von den Kranichen bestraft, sondern von ihrer eigenen Schwatzhaftigkeit als von einer Erinnys oder Strafgöttin überwältigt, den Mord herauszusagen.

Es ist mm hoch interessant, zu sehen, wie die Sage von den rächenden Vögeln und dem durch sie bewirkten Selbstverrat des Mörders noch mehr­fach im deutschen Volksglauben wiederkehrt.

Am bekanntesten ist die Legende von den Raben des Heiligen Meinrad.**) Einer der Mörder des Gottesmannes erinnert sich später beim Anblick der vorüberfliegenden Raben der Drohung des Heiligen und sagt lachend:Sieh da, die Raben Meinrads! Dies Wort veranlasst die Ent­deckung der Unthat.

Auf ähnlichen Volksglauben weist Fr. Wilh. Val. Schmidt in seinem Taschenbuch deutscher Romanzen hin. Sie findet sich in Boners Edelstein Fab. 61:Von einem Juden und einem Mörder. Von Öffnungen des Mordes. Einem Juden, der den König um Geleit durch seinen Wald bittet, giebt dieser seinen Schenken mit.

Der Jude trug unmasse Vil goldes uf derselben vart.

Des Schenken Absicht, ihn zu erschlagen, bemerkend, prophezeit der Jude:

Und üb es wurd verswigen gar,

Diu vogel machens offenbar,

Die bin fliegent, so mir gott!

Das ducht den schenken gar ein spot.

Do er das swert hat us gezogen,

Und in wold slan, do kam geflogen Ein rephun us den hursten dar,

Do sprach der schenke: Jude, nim war!

Den tot, den ich dir nu an tun,

Den wird offende das rephun.

Der Schenke erschlägt und beraubt den Wanderer. Später muss er dem Könige einmal Rebhühner auftragen und kann sich dabei eines spöttischen Lächelns über die Prophezeiung des Juden nicht erwehren. Der König

*) Heinrich Viehoff: Schillers Gedichte erläutert und auf ihre Veranlassungen und Quellen zurückgeführt. Stuttgart 1856, 3. Teil S. 94.

*) St. Meinrad oder Meinhard wird mit zwei Raben an der Seite bildlich dar­gestellt, es sind dies eben die Rachevögel, welche seine Mörder verfolgten. Vgl. Martin Crusius in seinen Schwäbischen Annalen Teil II. Buch 2. Kapitel 12. Viehoff a. a. O. S. 95.