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Kleine Mitteilungen.
bemerkt es und stellt den Schenken zu Rede. Dieser verwirrt sich, gesteht schliesslich und wird zum wohlverdienten Lohn seiner Unthat aufgehängt.*)
"Welcher sagt (an der in der Fussnote bezeichneten Stelle): „Am natürlichsten bieten sich aber der Ahnung einer unerwarteten Entdeckung der im Verborgenen geübten That die Bewohner der Lüfte dar. Die Vögel, die überhaupt an den menschlichen Angelegenheiten teilnehmen, die Botschaft der Götter zu den ihre Sprache verstehenden Propheten tragen, die den ersten Dichtern den Gesang gelehrt haben, scheinen der überall in der Natur Geist und Menschengefühl ahnenden Einbildungskraft, wie sie allgegenwärtig durch den Luftraum schweben, als Stellvertreter der allsehenden Gottheit, gleich der Sonne, auch auf den Frevel und die Leiden der Menschenkinder ihre scharfen Blicke zu richten. Überall, wo im Volk noch Sinn für Naturpoesie, die Vorläuferin der Naturphilosophie, waltet, und zugleich, bei mildern Sitten die Erkenntnis des culpam poenapremit comes schon aufgegangen ist, wird wahrscheinlich die Scheu vor diesen geflügelten Zeugen der Frevel- thaten sich wiederfinden.
Trotz dem, dass der hoch notpeinliche Prozess des Berliners Frerich Rinsel sich als aktenmässige Quelle darstellen will, finden sich in der letzteren ausser dem genannten sagenhaften oder mythologischen Zuge noch zwei andere Äusserungen unseres Volksglaubens wiedergegeben.
Einmal, dass das treue Ross, welches im Dunkeln und im Engpass widerwillig den eigenen todwunden Herrn zertreten muss, die erste Kunde derSchand- that verbreitet, eine Wendung unserer Geschichte, welche an die treuen und edeln Rosse erinnert, die ihren Herrn auch im Tode nicht im Stiche lassen oder die Gefreundeten desselben, gleichwie es von treuen Hunden unter ähnlichen Umständen berichtet wird, zum Ort der That zu geleiten wissen.
Vor allem aber aus der Volksseele entnommen ist der besondere Zug, dass es den Mörder, nachdem er sich scheinbar seiner Schandthat erfreut und straflos auszugehen hofft, unwiderstehlich treibt, an den Ort des Verbrechens zurückzukehren und sich dort durch eigene Unvorsichtigkeit zu verraten.
So zeigt uns die mit dramatischer Gegenständlichkeit und Lebendigkeit geschilderte Unthat unseres gewaltthätigen Landsmanns, „Frerieh Rinsel van Berlin uth der Marke“, an einem höchst lehrreichen Beispiele, wie der germanische Volksgeist, an eine Straf'that und deren Sühne anknüpfend, in Verbindung mit der mystischen Deutung der vier Vögel auf dem Grabstein den Prozessfall mit den überlieferten Volkssagen und den heimischen Überlieferungen in Einklang zu bringen versteht. Hierin gerade liegt für das Volk das eigentlich Erbauliche, das Rührende und Ergreifende des Vorganges, der im Grunde nur ein gewöhnlicher Raubmord war, wie er zu allen Zeiten und an vielen Orten sich zugetragen haben mag und wie er leider wohl noch öfter Vorkommen wird.
*) A. von Chamisso hat 1827 einen ähnlichen Gedanken in dem schönen Gedicht „Die Sonne bringt es an den Tag“ bearbeitet. Hier wird der blutig aufgehende Früh- rotschein und die eigene Gattin — „der Frauen Zungen ja nimmer ruhn“ — zur Verräterin. Siehe auch Grimms Kinder- und Hausmärchen Nr. 115 und Welcker in seiner Abhandlung über die Kraniche des Ibykos.