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13. (5. öffentliche) Versammlung des 3. Vereinsjahres.
„Paul und Virginia“ Bernardin de Saint-Pierre*) in den „Etudes de la Nature“, Ausg. von 1868 S. 270 über Taxodium distichum folgender- massen:
„Es giebt Bäume, deren Stümpfe und Wurzeln so eingerichtet sind, dass sie Hindernissen begegnen, die uns zufällig erscheinen, welche aber die Natur vorgesehen hat. Zum Beispiel wächst die Louisiana-Cypresse mit dem Fuss im Wasser, vorzüglich an den Ufern des Mississippi, dessen weite Ufergelände sie prächtig begrenzt. Sie erhebt sich zu einer Höhe, welche diejenige fast aller Bäume Europas übertrifft. (Vgl. den Pére Charlevoix, Histoire de la Nouvelle-France, tome IV.) Die Natur hat dem Stamme dieses grossen Baumes bis zu dreissig Fuss Umfang gegeben, damit er im Stande sei, den Eisschollen der nördlichen Seen, welche den Strom hinabtreiben, zu widerstehen und den zahllosen den Fluss hinunter flottirenden Baumstämmen, welche die meisten der Mündungen derartig verstopfen, dass die Schifffahrt erschwert wird. Und damit man nicht daran zweifeln könne, dass die Natur die Dicke des Stammes nur bestimmt habe, um dem Anprall von treibenden Körpern zu trotzen, vermindert der Baum seinen Umfang von 6 Fuss Höhe ab plötzlich um ein Drittel, als in jener Erhebung überflüssig. Und um den Baum noch auf eine schicklichere Weise zu sichern, lässt die Natur aus der Wurzel des Baumes, in vier oder fünf Fuss Entfernung herum, mehrere grosse Protuberanzen entstehen, welche von ein bis vier Fuss Höhe besitzen: dies sind keineswegs etwa Wurzelschösslinge, denn ihr Kopf ist glatt, und trägt weder Blätter noch Zweige; es sind vielmehr wahrhafte Eisbrecher.“ —
Herr Universitäts-Professor Dr. Paul Magnus hat die Güte Folgendes über die physiologische Auffassung dieser „Eis- und Wellen- Brecher“ für die Zwecke der „Brandenburgia“ mitzuteilen.
„K. Goebel in einer Studie: lieber die Luftwurzeln von Sonneratia (Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft Bd. IV 1886 Heft 6 S. 249) und Ludwig Jost in seiner Arbeit: Ein Beitrag zur Kenntnis der Athmungsorgane der Pflanzen. (Botanische Zeitung, 45. Jahrg. 1887 No. 37, 38, 39 Sp. 601—606, 617—628, 633—642) haben gezeigt, dass viele Pflanzen aufrecht wachsende Seitenwurzeln (aerotropisch wachsende), haben, um durch dieselben den für das Leben der einzelnen Wurzelzellen nötigen Sauerstoff aufzunehmen, d. h. die Athmung der einzelnen Zellen des Wurzelgewebes zu vermitteln (Athmung der Zelle,
*) Jacques Henri Bernadin de Saint-Pierre geb. zu Havre 19. Jan. 1737, besucht 1766 Berlin, dessen Weidenpflanzungen beim „Unterbaum“, jetzt Prinz Friedrich Karl-Ufer, er später begeistert schildert, bleibt bis 1771 auf Isle-de-France, kehrt dann nach Paris zurück, veröffentlicht 1784 seine „Natur-Studien“ (darin in Bd. IV das über 400 mal aufgelegte liebliche Idyll „Paul et Virginie)“ und stirbt 21. Jan. 1814 auf seinem Landgut Eragny an der Oise.