Heft 
(1894) 3
Seite
287
Einzelbild herunterladen

über die Wandgemälde in der Kirche zu Dahlem.

287

welche der Verfasser über ähnliche in brandenburgischen Kirchen meist erst in den letzten Jahren entdeckte mittelalterliche Gemälde giebt.

In Bezug auf den Gegenstand, welcher auf einem der Dahlemer Wandbilder neben den für Krücken erklärten Votivgaben links hängt, bemerkt Friedel, dass derselbe ohne Zweifel ein Kleidchen oder llemdchen darstelle, ebenfalls eine Votivgabe. Vielleicht sei in der Kirche ein wunderthätiges Bild der Heiligen Anna oder sonst einer anderen Heiligen verehrt worden, indessen sei dergleichen nicht einmal nötig anzunehmen, da man noch jetzt in überaus vielen katholischen Kirchen Krücken, Kleidchen ex voto aus Dankbarkeit und zur Verehrung aufgehängt finde, auch wenn dort nicht ein Heiligenbild sich eines besonderen und allgemeinen Rufes als heilkräftig erfreue.

In einer Diskussion mit Herrn Geheimrat Bluth bemerkte Herr Privatdozent Dr. Galland, dass ihm das Urteil jenes zitierten verdienstvollen Aufsatzes bezüglich der knieenden Frauenfigur, die ja schon vermöge ihrer trefflichen Erhaltung für die Wandgemälde von besonderem Wert sei, doch sehr anfechtbar erscheine. Dort ist nämlich von einemunedlen Schnitt des Frauenkopfes die Rede, der von dem edlen Haupt einer stehenden weiblichen Heiligen kontrastiere, und zwar sei dieser Kontrast vom Künstler wohl beabsichtigt (?) worden. Als Beweis führt die Abhandlung analoge Kontraste vor, z. B. den edel gebildeten römischen Ilauptmann Longinus und einen hässlichen Kriegs­knecht auf einer Kreuzigung zu Soest. Dr. G. giebt letzteres zu, er­widert indes, dass es niemals ein alter Meister, am allerwenigsten ein Künstler aus der Zeit des schwärmerischen Minnesanges gewagt hätte, solche Kontraste in weiblichen Zügen zu verbildlichen. Ein Kunst­historiker müsse sich überhaupt hüten, das, was sich aus zeichnerischer Unvollkommenheit so alter Malwerke hinlänglich erkläre, alsunedel oder gar als bewusst unschön zu bezeichnen. In diesem Falle sei dem mit der Perspektive schlecht vertrauten mittelalterlichen Maler ein äusserst schwieriges neues Motiv nur nicht völlig gelungen. Er wollte dieses zarte Frauenköpfchen beim Gebete erhoben und doch nach vorn schauend darstellen. Die komplizierte Verschiebung der Gesichtsteile erscheint, weil sie eben nicht vollkommen gelang, uns verwöhnten Modernen als unschön. Aber das hindert nicht, dass hier eine jugendliche Empfindung, der warme Hauch einer werdenden Kunst, der frühgotischen Richtung, aus dieser bürgerlich gekleideten Frauengestalt uns zu Herzen dringt. Sie steht daher künstlerisch weit über jeneredlen en face gemalten Figur, an welcher der unbekannte Meister statuarische Ruhe und eine noch byzantinisch zu nennende Feierlichkeit des Ausdrucks im Rahmen der Überlieferung verkörperte.