Heft 
(1894) 3
Seite
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Die Dorfkirchen der Mark.

Die Dorfkirchen der Mark.*)

Von Robert Mielke.

Bunt und mannigfaltig wie das deutsche Land, wie die Stämme die es bewohnen, wie Haus, Trachten und vieles andere, was letztere hervorgebracht haben, ist auch die kirchliche Baukunst da ausgeprägt, wo ein volkstümliches Empfinden noch nicht von den alles gleich­machenden Wellen des Verkehrs hinweggetlutet ist. Im Südwesten des Reiches, wahrscheinlich im engsten Zusammenhang mit der nachrömischen Bauüberlieferung auf deutschem Boden, entwickelt sich die Architektur zu jener vielgliedrigen Steinbaukunst, die in den Kathedralen des Rhein­landes ihre höchste Blüte erreicht, von der der gesamte Kirchenbau des Landes nur ein vereinfachtes Abbild ist. Der Haustein, welcher hier in mancherlei Arten fast überall zu Tage tritt, vermittelt das gemeinsame architektonische Band zwischen Dorf und Stadt und bringt jenen Kirchen­typus hervor, der durch das grosse basilikenartige Schiff mit seinen mächtigen Fenstern, mit seinem breiten Chor und runder Apsis und durch den trotzig sich emporreckenden, häutig sogar unsymmetrisch ge­stellten, einfachen oder Doppelturm als ein getreues Abbild der beweg­lichen, kühn-schaffensfreudigen Bevölkerung gelten kann.

Dieser vor allem von dem leicht zu bearbeitenden Haustein beein­flussten Kunst steht die aus anderen Bedingungen hervorgegangene und aus anderen Materialien entwickelte des norddeutschen Flachlandes ent­gegen. Im Westen, in den weiten Moor- und Marschenländereien Hollands und Hannovers ergiebt die Technik des Backsteinbrennens jene Art der Dorfkirchen, die mit breiten Mauern, mächtigem Dache und dem niedrigen pyramidenartigen, häufig abseits stehenden quadratischen Turme so recht das gesetzte, würdevolle Wesen des Niederdeutschen veranschaulicht. In der von slavischen Einflüssen durchsetzten Ostmark bis hinunter zu den Bergzügen des Riesengebirges und der Karpathen, in jenen aus vor­wiegend Wald-, Acker- und Weideland bestehenden Geländen, tritt in der malerischen Holzbaukunst wieder eine neue Form auf, die in ihren dunklen, wenig durchbrochenen Blockwänden, überhängenden Dächern und abseits stehendem Turme zum Spiegelbild der melancholisch-ernsten Landschaft wird, und in der grossen Mitte, mit den brandenburger

*) Anm. Von dem am 23. Jan. 1895 gehaltenen Vortrage sind die genaueren geschichtlichen Daten fortgelassen, so dass sich der Aufsatz mehr zu einer Charakte­ristik der märkischen Dorfkirche einschränkt. Eine eingehendere Entwickelung des märkischen Dorfkirchenbaues gedenke ich unter Beigabe von Abbildungen für das Archiv zur Verfügung zu stellen. K. M.