Die Dorf kirchen der Mark.
291
es in der Priegnitz nicht selten ist. Auch fehlt er nicht allzu selten, doch ist das in den meisten Fällen nicht beabsichtigt, sondern nur die Folge einer Zerstörung. Zu einer Leistung eigener Art hat inan es in Neuenhagen bei Oderberg gebracht, wo er ohne Spitze ist und mit dem Schiff ein gemeinsames Dach besitzt. Mit und ohne Chor, mit geradem Abschluss und halbrunder Apsis oder auch ohne diese, immer tauchen wieder neue Formen auf, die sich in den lokalen Typus hineinschieben, denn es lässt sich ganz gut verfolgen, wie die einzelnen Grundrissdispositionen sich in gewissen Gegenden zusammendrängen. Die altertümlichsten Bauten mit gleich breitem oder selbst seitwärts hervortretendem Turm kommen schon im Braunschweigischen und südlichen Hannover vor; sie ziehen sich dann über die Provinz Sachsen nach der Mark und bis nach Pommern hinein, wobei sicli bei uns drei deutlich hervortretende Sammelpunkte herausgebildet haben. Nördlich der Linie Havelberg—Königsberg i. M. ist der eine; den südlichen stellen die Nordabdachungen des Fläming dar, während wir in der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt den mittleren linden. Der Typus mit isoliert stehendem Turm ist, wie schon bemerkt, in der Priegnitz zu Hause, welche der Urheimat dieser Form, dem nordwestlichen Niederdeutschland, so nahe liegt. Zwischen diesen Typen, fast gleichinässig vertheilt, ist der Typus mit quadratischem und mit aufgesetztem Turm ausgestreut, die daher wohl als jüngste Bildungen zu betrachten sind.
Von den drei Gliedern einer Kirche, dem Turm, Schiff und Chor hat der erstere seine monumentalste Geschichte und ist daher auch sehr geeignet, für eine typische Einteilung als Grundlage zu dienen. Er ist das Wahrzeichen und das älteste Denkmal des Dorfes, von dessen Höhe die eherne Stimme dem jungen Erdenbürger ein erstes Willkommen zuruft oder ihn zu Grabe bettet. Nicht immer war er wie heute der stille Wächter dörflichen Friedens; es gab Zeiten, in denen er der letzte Zufluchtsort der Bevölkerung war, wenn Feindesgewalt die blühenden Saaten zertreten, die schilfgedeckten Häuser verbrannt hatte. Noch heute ist dieser kriegerische Zweck von der Bauart abzulesen. Die Kirchenfenster sind an den ältesten Werken klein und hoch angebracht, fast schiessschartenähnlich und der Eingang zu dem schützenden Turm nur auf Leitern zu erklimmen gewesen. Früher hatte man nur in der Lüneburger Heide zwei derartig befestigte Kirchtürme gezeigt, die ich für ursprünglich anderen Zwecken dienende gehalten habe, da aber auch in der Mark nicht allein die Überlieferung davon spricht, sondern selbst die Bauart dies bezeugt, so muss wohl jeder Zweifel schwinden: An
der Kirche zu Schweinrich bei Wittstock, ein Werk mindestens des XV. Jahrhunderts, erkennt die Tradition noch bei dem südöstlichen Fenster des Turmes den alten Eingang, während die alte ca. 1250 gebaute zu Zemitz bei Neustadt a. D. keinen Westeingang besitzt,