Heft 
(1894) 3
Seite
296
Einzelbild herunterladen

296

Die Dorfkirchen der Mark.

mehreren Absätzen nach Oben hin sich anslaufen, hier in eine pyra­midenartige Spitze, dort als Achteck, dort wieder als reicheres Knollen­oder Zwiebelmuster, wenn man es so nennen darf.

Es ist das Jahrhundert der Unnatur, der comedie larmoyante, in das wir nun eintreten und das in seinem Vorrtbergehen auch der Dorf- kirche einen Teil dieser seiner Gesinnung aufprägte. Die Tage ver- hältnissmässiger Ruhe, die der eiserne Wille Friedrich Wilhelms und nach den Kriegen der König-Philosoph für die preussischen Lande schufen, liessen ganz von selbst den kunstbedürftigen Sinn der Landbevölkerung sich in seinen Kirchenbauten offenbaren. Leider aber war angesichts der vielen Fürsten- und Ilerrensehlösser der monumentale Sinn auf ein Minimum zurückgegangen; die Ideen der Aufklärung thaten das Übrige und so konnte man den Schritt wagen, den fast 600 Jahre alten Kirchen­grundriss aufzugeben. Wie jeder Edelmann sein kleines Versailles

haben wollte, so trug er als Patron auch diese Gesinnung in das kirch­liche Gebiet hinein, ohne Widerstand zu finden. In den Schlössern hatte man für die Festsäle runde oder 8eckige Räume bevorzugt; sie liessen in Verbindung mit anderen Vorstellungen auch diese für Kirchen geeignet erscheinen und so trat an Stelle des Rechtecks jetzt der Rundbau. Die Drei- faltigkeits-, die Böhmische und die Hedwigskirche, der französische und der deutsche Dom in Berlin, die reizvolle, aber mit trügerischen Stoffen erbaute Kirche zu Buch, die bescheidenere zu Zehlendorf und viele andere zeugen davon. Hölzerne Wände und Gesimse, Stuckverkleidung und das leichte Schieferdach thaten diesem Bestreben Vorschub und um den weltfrendi- geren Sinn auch noch nachdrücklicher zu bekunden, wird der ganze Bau mit hellroter oder Rosafarbe getüncht. Natürlich tastete man dabei die vielen Feldsteinkirchen, welche mancherorts als Ruinen das Jahrhundert des 30jährigen Krieges überdauert hatten, nicht wesentlich an, im Äusseren nur wurde dieses leichtere Gewand über den rohen Steinkern ge­hängt, die Fenster erweitert und Licht drangen ungehemmt in das Innere, dessen weissgetünchte Wände die Akkorde des Neuen, des Modischen weiterklingen liessen.

Man thut der Zeit und ihrer Kunst Unrecht, wenn man sich von vornherein ablehnend gegen ihre Erzeugnisse verhält. Von ein­zelnen Ausnahmen abgesehen passen sie ebenso in ihre Umgebung, wie der Geistliche mit seiner Perrücke, der Grandseigneur in sein Miniaturschlösschen und die gestutzten Bäume und Hecken in die Gärten. Diese Kunst, an vielen Kirchen noch heute erhalten, ging aus der Geistesrichtung ihrer Zeit hervor. Dass sie sich nicht von den Vorstellungskreisen des Volkes entfernte, dafür sorgte schon der ein­heimische Techniker, der die fremden Formen wohl annahm, sie aber in heimischem Sinne umschuf.

Erst unser Jahrhundert stiess diese volkstümlichen Schranken um,