Die Dorfkirclien der Mark.
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um in dem Suchen und Tasten nach fremden Idealen bei vollständiger Dürftigkeit anzulangen. Es scheute sich nicht, die schnurrigsten und heterogensten Elemente aneinanderzureihen und sich damit von dem landesüblichen zu entfernen. Das kam zum grössten Teil daher, dass die Architekten aus der Stadt kamen und die hier entwickelten Bedürfnisformen dem Lande aufzuzwingen suchten, das dafür keinen Boden hat. Eine Ausnahme machen zuin Teil die Schöpfungen unter Friedrich Wilhelm IV., die, wenn auch nicht immer mit Glück, so doch meistens eine Anlehnung an die landschaftliche Natur und an ältere, im Volke noch nicht vollends ausgestorbene Baugedanken suchen, wie bei den Kirchen in der Umgebung Potsdams, denen aber das dörfliche Relief fehlt. Mit besserer Wirkung hat man in den entfernteren Ort- Kutzerow i. U. und Seelübbe dies erreicht.
Ich komme zum Schluss. Zur Beurteilung dessen, was unsere Dorfkirchen zu dem Mittelpunkt des Kunstlebens anf dem Lande machen, brauche icli nicht viel hinzuzufügen. Man darf an diese Schöpfungen nicht mit dem an klassischer Kunst geschulten Verstände herantreten. Es sind andere Momente, nach denen das Innere und Äussere ausgeschmückt sind, die aber im letzten Grunde immer wieder künstlerisch anregend auf die breite Masse wirken. Ein Volk muss die entferntesten Äusserungen seiner Kunst verstehen und an ihnen seine Phantasie befruchten. So ist das oft unverstandene Spiel der Linien an einem jonischen Kapitäl im Auge des Volkes erst dann verständlich, wenn es sich mit allegorischem Beiwerk verbindet, wie an dem Äusseren der Kirche zu Altlandsberg, wo Totengebeine eine derbe, aber leicht begreifliche Sprache reden, ln dieser Weise erheben sich unsere Dorfkirchen über eine kalte Formschönheit, hinweg zu einer tiefer liegenden Seelenschönheit. Aussen ist est der Niederschlag aller architektonischen Stile, welcher, vielfach in phantastischer Weise, sich dem Verständnis der Masse anformt, im Innern die vielfachen Bilder, Kriegstrophäen, Kränze und dergleichen, die das Persönliche in den Kunstbeziehungen zum Ausdruck bringen. Selbst in den wilden Schnörkeln der Zopfzeit liegt noch immer ein Reiz des unmittelbar Empfundenen, der bald in märchenhaft schwellender Wildheit, bald in herber Einfachheit sich über die Schranken des wohlgesitteten Baugedankens hinwegsetzt.
So trotzig, eigensinnig und doch zielbewusst, wie einst der Steinmetz dem zähen, widerstandsfähigen Materiale seine grobe Formsprache aufzwang, so hat auch der Anhänger des Barocks und anderer fremder Ursprungsstile nur widerwillig und in echter Bauern-Vorsicht von der welschen Schönheitsschablone die Sprache, nicht aber den Geist aufgenommen; wo sie erscheint, ist sie mit greifbarer Deutlichkeit seinem Begriffsvermögen angepasst worden.
Darin liegt eben der Wert dieser von dem Formalschönen häufig