Heft 
(1900) 9
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16. (8. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

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zu lassen. Ann und reich wandern auf die Friedhöfe, um in der Un­rast des Schaffens eine stille Zwiesprache mit den Verstorbenen zu pflegen wie in alten Tagen, da der Schmerz und die Freude noch laut in die Öffentlichkeit hineiudrangen. Sind wir auch mit unseren Ge­fühlen stiller, mit ihren Äusserungen sparsamer geworden, in den Vor­stellungen von Tod und Sterben bricht doch häufig noch ein Stück uralter Vergangenheit durch, die das tiefe Seelenleben des Volkes blosslegen. Nicht arm ist auch die Mark an Gebräuchen, die der Tod in das Volks­leben hineingewebt hat.

Totengebräuche nenne ich die Handlungen, die in der breiten Masse des Volkes ausgeübt werden, um einerseits das Wohl des Verstorbenen noch nach dem Hingang zu fördern und andrerseits inehr nach aussen wirkend das Andenken bei den Überlebenden dauernd zu erhalten. Der Tod ist ja nach einem allgemeinen Menschheitsglauben nicht der endgültige Abschluss aller irdischen Beziehungen; vielmehr wirkt der Schatten des Verstorbenen in gutem und bösem Sinne auf seine nächste Umgebung ein. Es ist daher eine der ersten Sorgen des Zurückbleibenden, seine schädigende Rückwirkung abzuwehren und seine schützende Kraft zu gewinnen. Bei heidnischen Vorstellungen hat jene die Oberhand, während die monotheistischen Religionen vor allen der Katholizismus die wohlwollende Förderung zu schätzen wissen. Beide werden uns heute beschäftigen, da sie sich in dem Volksglauben zu ganz bestimmten Handlungen veräusserlicht haben, die nicht selten mit ihren Wurzeln in die grauste Vorzeit zurückreichen.

Oft schon fällt in den Lenz des Lebens ein Schatten von dem unabwendbaren Geschick, wenn man zu gewissen Zeiten, in den Zwölften, der Neujahrsnacht, dem ersten Jahrestage und anderen Ereignissen die Anzeichen erkennt, wann und wo der Tod seinen Einzug halten wird. Oder auch gelegentliche Zeiterscheinungen wie ein zirpendes Heimchen im Hause, das Ticken des Holzwurms, ein unerklärliches Geräusch, das Stehenbleiben der Uhr, die Entdeckung eines Maulwurfhügels bei dem Wohnhause verkünden den ungebetenen Schnitter. Einmal ich hörte die Erzählung in der Altmark zeigte ein gespenstiger Sarg das kom­mende Unheil an. Die weisse Frau im Hohenzollernschloss spukt ja noch heute umher, wie in gleicher Weise den alten Schlossherren von Sorau den Bibersteinern ein kopfloser Mönch den Todesfall voraus­sagte. Geheimnisvoll lacht es laut auf dem Werbellin über die Wellen beim Herannahen des Gevatters Tod und auf dem Gohlitzer See bei Lehnin tanzt ein grüner Hut als Unheilsbote umher. Die Schreie des Uhus und der Eule werden in dem Sinne des alten Lutherliedes:Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen gedeutet und manche ängst­liche Seele zählt auf der Sommerfahrt an den Rufen des Kuckucks die tla- noch vergönnten Jahre. Aus Träumen und den Glockeukläugeu

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