Heft 
(1900) 9
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1(5. (8. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

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Ist null der Tote eingesargt, so bleibt er in der Wohnung, wo auch die Predigt stattfindet. Eine Totenwache ist nicht üblich, wenn auch nach einer Spreewaldsage Lichte brennen sollen, damit dem Toten nicht die Mause die Augen ansfressen (v. Schul. S. 236). Unter dem Geläut der Glocken, die vielfach erst nach der Beisetzung verstummen, wird der Sarg zur Gruft getragen. In den nördlichen Dörfern der Mark führte man ihn wohl auch ein- oder dreimal um die Kirche, dann hinein, um die letzte Einsegnung zu vollziehen. Früher war es auch üblich, bei Standespersonen 2 Lichter auf Kosten der Angehörigen auf .den Altar zu setzen, die, mit Flor umhangen, während des Trauerjahres bei jedem Gottesdienste brennen mussten. Damit hängt zusammen, dass noch vor etwa 35 Jahren in Alt-Thymen bei Lychen jedesmal der Kirche Lichter gestiftet wurden, sobald einer gestorben war.

Auf der einen Seite kann eine Berührung des Toten gewisse Krankheiten z. B. Trunksucht (v. Schul. S. 235) heilen; auf der anderen aber fürchtet man die unselige Weiterwirkung seines Einflusses, der von allem ausgehen kann, was mit ihm in Berührung gestanden hat. Für den ersten Fall nimmt man gern etwas von den Stoffen, die zur Beisetzung dienten; ja man scheut, wie noch vor 4 Jahren in Nudow bei Potsdam sich ereignete, selbst den gewaltsamen Einbruch in die Kirche nicht, um einen Fetzen von dem Leichentuch zu gewinnen. Von der anderen unheilvollen Einwirkung sprechen die vielen Überlieferungen von den Nachzehrern und den Doppelsaugern, die man durch bestimmte Massregeln unschädlich zu machen weiss, die ich aber hier übergehen kann. Um ihnen zu wehren, werden im Spreewald alle Ecken und Zipfel der Kleidung mit Nadeln festgesteckt (Niederl. Mitt. II, S. 145), wird die Tragbahre umgekippt (Altmark) oder das Stroh, die Wagen­runge, die Leitern, auf denen der Sarg stand, an gewissen Stellen der Dorfmark abgeworfen und verbrannt. Aus dieser Veranlassung heisst eine Ackerstelle bei Fürstenwalde, wo drei Dorfgrenzen zusammen- stossen, dieT otenr unge (Kuhn & Schw. S. 86). Hierher gehören auch einige örtliche Gebräuche wie das Setzen der Tragbahre auf das Grab (Neuendorf b, Oderberg) oder das kreuzweise Werfen von eisernen Spaten bei einem Manne, von hölzernen bei einer Frau auf den Sarg*) (Altmark), aus deren Richtung man das Haus des nächsten Todesfalles erfahren will.

Nach uraltem Herkommen legte man dem Toten einen Zehrpfennig, die Totenmünze in den Sarg, vielfach in den Mund, ein Gebrauch, der an den Obolos der Griechen erinnert. Mehr als man annimmt, wird auf dem Lande an diesem uralten Opfer festgehalten, wenn man es auch der Geistlichkeit und neugierigen Fragern gegenüber ableugnet. Mit

*) Vergl. Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch S. 198, wo ähnliches zu

finden.

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