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Robert Mielke, Totengebrftuche und Totensagen in der Mark.
diesem Totenpfennig zogen die Seelen der Abgeschiedenen, um ihn zu verspielen, nach einem merkwürdigen Ort zwischen der Oberwelt und dem Totenreich, der im Volksmunde Owerskrug, Abis-, Abers-, Obis-, Nobis- oder Näberskrug heisst, sicli in der Mark Brandenburg und Norddeutschland in sehr vielen Flurnamen erhalten hat und eine Brücke vom altgermanischen Mythus nach der christlichen Anschauung schlägt. (J. Grimm, Deutsche Mythologie S. 954 und Bär lll. S. HO.)
Es ist überhaupt eine eigne Sache mit den Seelen der Abgeschiedenen. Sie kehren häufig an den Ort ihrer einstigen Thätigkeit zurück, um hier nach dem Rechten zu sehen. Nach der Sage geht alle Morgen eine Magd in die Kasematten von Cüstrin, um dort das Bett des Markgrafen Hans zu machen, der angeblich jede Nacht dort schläft (Kuhn & Schw. S. 3fi). Nach Alt-Wittenberge kehrt von Zeit zu Zeit eine Nonne zurück, um sich in der Eibe zu waschen.
Die Ursachen des Zuriickkehrens sind verschieden. Die Sorge um ihr Kind treibt die Mutter zurück (Gand. Nr. 20.1, 204), wie, ähnlich der Lenorensage, die Liebe den toten Geliebten zur Braut bringt (v. Schul. S. 138), oder es holt in humoristischer Anwandlung die verstorbene Gattin ihren trinkenden Gemahl aus der Kneipe (Gand. Nr. 205). In den meisten Fällen sind es unerfüllte Wünsche, die den Abgeschiedenen keine Ruhe lassen (v. Schul. S. 95, 149, 239, 240, Gand. 20H, 207, 210, 219); dann ist die Ruhelosigkeit nur vorübergehend und mit der Erfüllung beendet. Dauernd irren die Seelen ungetaufter Kinder umher (v. Schul. S. 237), der Frauen, die im Kindbette sterben (Gand. Nr. 200), der Selbstmörder, der Erschlagenen oder der Menschen, die mit Streit von hinnen gehen (Gand. Nr. 199); sie führen als Aufhocker (v. Schul. S. 148) oder gespenstige Tiere ein unstätes, menschenerschreckendes Dasein, von dem so manche grauliche Geschichte auf Stadt und Land eine Kunde giebt.
Hat gar einer die Welt mit einem Verbrechen beladen verlassen, dann hat er niemals Ruhe; er muss zurückkehren, um als Geist seine Unthat zu sühnen oder wieder gutzumachen*) (Kuhn & Schw. Nr. (57, 132 u. a.). Das traf vor allen die, die Land abpflügten oder die Grenzsteine betrügerisch verrückten, Verbrechen, die schon in den alten deutschen Stammesgesetzen (vergl. Grimm, Deutsche Rechtsaltertinner S. 54H) schwer gebüsst wurden (Kuhn & Schw. Nr. 105, 114, 135, Schwartz Nr. 29). In einer Spreewaldsage (v. Schul. S. 139) kehrt auch die alte Auffassung wieder, dass dem loten beim Herantreten des Mörders das Blut aus Nase und Mund fliesst (vergl. Grimm, Rechtsaltert. S. 931). Hier hat er also noch keine Ruhe, bis sein Tod gerächt ist.
*) Bezeichnend ist hier das Schicksal des Meineidigen, Kindern den Rat erteilt, es nicht ebenso zu machen (Gand. Kr.
der als Geist seinen 21<V).