Heft 
(1900) 9
Seite
21
Einzelbild herunterladen

16. (8. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

21

Anders wieder ist es mit dem Junker von Kahlebutz in Kampehl, der seine Unthat neben dem Umherspuken durch das selbstbescliworene Verhängnis büsst, dass sein Leichnam nicht verwest, wie man sich noch heut in dem stillen Dorfe an der Dosse überzeugen kann.

Kehren wir jedoch wieder zu den Gebräuchen zurück.

Ist der Verstorbene beigesetzt, ist alles geschehen, was eine Be­unruhigung der Lebenden durch den Schatten verhindert, sind die lauten Klagen des Augenblicks verhallt, dann kommt die wehmütige Stimmung des Gedenkens zur Geltung und aus den schmerzensreichen Tagen der ersten Empfindung löst sich die Sorgfalt heraus, das Andenken nun sichtbar sich und anderen zu erhalten. Schon der Leichenschmaus, den man in unsre graue Vorzeit zurück zu verfolgen versucht und den man hier und dort gewisser Rohheiten beschuldigt hat, bot Gelegenheit, die Vorzüge des Toten zu würdigen. Dauernder waren aber die Denkmäler, die treue Liebe demselben errichtete. Was im südlichen Deutschland die Totenbretter und prunkvolle Grabkreuze bedeuten, im westlichen Norddeutschland seltsame Holzgestelle, die die Grabstellen pultartig überdecken, wird in der Mark und ihren östlichen Naclibargebieten von Totenkronen und Kränzen und daneben Kreuzen, Stäben und Pfählen ersetzt.

Sind die Grabhügel die natürlichen Denkzeichen, mit denen fast auf der ganzen Erde gleichartig der Ort der Ruhe sichtbar gemacht wird, so tritt bei den eigentlichen Äusserungen des Kunstfleisses das in den Vordergrund, was inschriftlich für den einzelnen Toten, künstlerisch für die Art seines Volkes zeugt. In der Mark war es bis vor einem Menschenzeitalter ganz allgemein üblich, durch Kronen und Kränze die in den Kirchen aufgehängt wurden, das Andenken zu erhalten. Ur­sprünglich ist diese Sitte vielleicht in ganz Norddeutschland üblich ge­wesen; schon Justus Möser spricht im vorigeu Jahrhundert von ihr (Patriot. Phantas. Nr. 39); sie hat sich in der Mark und den östlichen Provinzen am längsten gehalten. Die Uckermark, die auch in anderer Hinsicht eine kulturgeschichtliche Ausnahmestellung einnimmt, zeichnet sich darin durch zähes Festhalten am Alten aus. Wahrscheinlich ist auch in Mecklenburg die Sitte bekannt gewesen, worauf noch manche örtliche Eiinnerungen hindenten; heute ist sie hier jedoch ganz ver­schwunden und keine Zeugen gemahnen im Innern der Dorfkirchen an sie. Ihr Verschwinden ging Hand in Hand mit dem in der Prignitz, wo sie sich nach der Elbe zu immer mehr verliert.

Noch giebt es genug Kirchen, in denen diese Zeugen, die den Le­benden mit dem Toten verbinden, eine beredte Sprache reden; sie werden jedoch immer mehr unterdrückt unter dem Vorgeben, dass sie den Staub auffangen und die Kirche verunzieren. Es ist schade darum, denn sie brachten neben ihrer künstlerischen Wirkung doch immer ein persönliches